Psychologie politischer Reden und Kommunikation
Politische Psychologie: Denkorientierungen und Denkmuster von Führenden in der Politik
CMC Forschungsprojekt WORTSTROM
Politische Rede im Wortlaut
Helmut Kohl: Große Regierungserklärung am 18.03.1987 „Die Schöpfung bewahren - die Zukunft gewinnen“
Redeanalyse (Kommunikationsprofil) ►
„Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Die Koalition der Mitte hat von den Wählern erneut einen klaren Regierungsauftrag erhalten. Unsere Mitbürger wollen, daß wir Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit sichern. Sie wollen, daß wir die uns anvertraute Schöpfung bewahren und gemeinsam die Zukunft gewinnen.
Noch vor gut vier Jahren noch befand sich unser Land in einer schweren Krise. Wir haben diese gefährliche Schwächephase überwunden, und wir haben ein stabiles Fundament für die Gestaltung der Zukunft geschaffen.
Der tiefgreifende Wandel unserer Zeit bewegt die Bürger in ihrem Lebensalltag. Viele Menschen sehen sich im Zwiespalt widerstreitender Gefühle. Wir wissen alle um die faszinierenden Möglichkeiten der modernen Naturwissenschaften, aber wir wissen auch, daß nicht alles, was technisch möglich und ökonomisch vorteilhaft erscheint, unter humanen Gesichtspunkten wünschenswert ist.
Wir erleben täglich, daß die Völker der Erde voneinander immer abhängiger werden. Gleichzeitig sehnen sich die Menschen nach Heimat und überschaubaren Lebensverhältnissen.
Verständlich ist ein weit verbreitetes Sicherheitsbedürfnis, daß immer umfassender wird, obwohl doch jeder weiß, daß sich nicht alle Risiken des Lebens ausschalten lassen.
In unserer säkularisierten Welt ist die Suche nach Lebenssinn schwieriger geworden, und die Lebensängste werden größer. Und wie in allen Zeiten großen Umbruchs wird die Spannung zwischen Kontinuität und Fortschritt, Tradition und Moderne auch heute stark empfunden.
Wir wollen für die geistigen Strömungen unserer Zeit sensibel sein, wohlwissend, daß Politik mit Widersprüchen und auch mit Gegensätzen leben muß. In der Demokratie kann und darf Politik die Aufgabe der Sinnfindung dem Bürger nicht abnehmen. Sie muß die Wirklichkeit nüchtern wahrnehmen, tatsächliche Zukunftschancen erkennen und sie, wenn möglich, nutzen.
Wir haben erlebt: Schnelle Antworten führen oft zu falschen Lösungen. Wir müssen unsere Entscheidungen frei von Routine und eingefahrenen Betrachtungsweisen treffen können. Gefordert sind von uns allen Offenheit und Einfühlungsvermögen, Nachdenklichkeit und Ideenreichtum - aber auch Standfestigkeit, besonders dort, wo es um die Grundwerte der inneren und äußeren Politik des Landes geht.
Unser Leitbild ist eine Gesellschaft, in der sich der einzelne frei entfalten kann - auch und gerade in der Verantwortung für den Nächsten. Daraus ergeben sich zentrale Ziele unserer politischen Arbeit:
Erstens: Wir wollen das Wertebewußtsein schärfen, insbesondere den Sinn für den Zusammenhang von Freiheit und Verantwortung.
Das für uns gültige Wertesystem, wesentlich durch Christentum und Aufklärung geprägt, gründet auf der Einzigartigkeit jedes Menschen, auf der Achtung vor dem Leben, der Menschenwürde und der persönlichen Freiheit. Wie bedeutsam diese Werte bleiben, zeigt uns die aktuelle Diskussion über Ethik der Forschung und Schutz des menschlichen Lebens. Auch die Wahrung des inneren Friedens ist im Kern eine Frage der Freiheit und ihres verantwortungsvollen Gebrauchs.
Zweitens: Wir wollen in einer leistungsstarken Wirtschaft sozialen Halt geben und so die Freiheit materiell stützen.
Nur wenn die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft angewendet werden, können auf die Dauer Wirtschaft gedeihen und soziale Sicherheit bestehen. Damit müssen sich Leistungswille und Kreativität verbinden. Dann können wir den Anschluß an die Weltspitze halten, neue Arbeitsplätze schaffen und den sozial Schwächeren zur Seite stehen.
Am Herzen müssen uns insbesondere jene liegen, die keine machtvollen Verbände und Fürsprecher haben.
Drittens: Wir wollen, daß die Bürger in einer menschengerechten Lebensumwelt Geborgenheit erfahren und mehr Freiheitschancen erhalten. Vor allem wollen wir menschliche Bindungen erhalten und stärken. Das betrifft die Familie ebenso wie das Verhältnis zwischen den Generationen und - in einem weiteren Sinn - die Verbundenheit mit der Heimat, wie etwa die Bodenständigkeit, gerade auch im ländlichen Raum. Familienförderung und so verstandene Agrarpolitik, aber auch der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen weisen weit über die materielle Dimension hinaus.
Viertens: Wir wollen, daß alle Deutschen eines Tages wieder durch gemeinsame Freiheit in einer europäischen Friedensordnung vereint sind. Deutschlandpolitik heißt für uns außerdem, Menschen zueinanderbringen, weil sie zusammengehören. Deshalb müssen wir das Bewußtsein für die Einheit unserer deutschen Nation stets wachhalten. Dazu gehört die Treue zu Berlin. Unser Standort ist und bleibt die freie Welt; denn die Freiheit ist der Kern der deutschen Frage.
Fünftens: Damit der Friede dauerhaft gesichert wird, wollen wir als verläßlicher Partner in der westlichen Wertegemeinschaft auf weltweite Achtung der Menschenrechte und auf gerechten Ausgleich zwischen den Völkern hinwirken.
Realistische Entspannungspolitik ist ein notwendiger Beitrag zur Friedenssicherung: realistisch, weil wir nie den grundlegenden Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur verwischen dürfen und entschlossen sind, unsere Freiheit und unsere Sicherheit zu bewahren; Entspannungspolitik, weil so Menschen und Völker einander näherkommen können, Grenzen offener werden und die Aussicht auf weltweite Achtung der Menschenrechte verbessert wird.
Diese fünf Ziele beschreiben nicht nur unser Arbeitsprogramm für die Legislaturperiode bis 1990. Sie verdeutlichen eine Politik, die Weichen stellt ins nächste Jahrhundert.
Einen langfristigen Zukunftsentwurf benötigen wir in der Bundesrepublik um so mehr, als wir auch die Folgen der gewaltigen Umbrüche in der Bevölkerungsentwicklung bewältigen müssen, die jetzt schon spürbar und absehbar sind.
Auf uns kommen schwerwiegende Belastungen zu. Vom Geburtenrückgang sind so unterschiedliche Bereiche wie Alterssicherung und Bildungswesen, wie Wohnungsmarkt und die Personalstärke unserer Bundeswehr betroffen. Auch die Umkehrung der Alterspyramide und die bevorstehende Überalterung stellen unsere Gesellschaft vor völlig neue Aufgaben.
Die Schwierigkeit angemessener Lösungen wird darin bestehen, Prioritäten zu setzen, den richtigen Zeitpunkt zum Handeln zu bestimmen und einen fairen Interessenausgleich herbeizuführen.
Das kann nur gelingen, wenn jeder seiner eigenen Verantwortung gerecht wird und den ihm möglichen Beitrag leistet. Die Bundesregierung ist zum offenen Gespräch bereit zuerst und vor allem hier im frei gewählten deutschen Parlament.
Auch die Opposition hat einen Auftrag der Wähler erhalten. Auch sie trägt eine wichtige Verantwortung im Dienst am Bürger. Bei allem, was uns trennt, wäre es gut für unser Land, wenn diese gemeinsame Verantwortung zum gemeinsamen Handeln dort führen könnte, wo es um Schicksalsfragen unserer Nation geht.
Einen intensiven Dialog wollen wir auch mit den wichtigen gesellschaftlichen Gruppen in unserem Land führen:
- mit den Tarifpartnern, denn ohne sie kann es uns nicht gelingen, unsere Volkswirtschaft zu modernisieren und Arbeitsplätze zu schaffen;
- mit Wissenschaftlern und Künstlern, denn unsere offene und freie Gesellschaft ist angewiesen auf ihre Ideen und auf ihren Intellekt;
- mit den vielen in Vereinen, Verbänden und Gruppen, die sich im Dienst am Nächsten engagieren;
- mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften, denn sie können das Wertebewußtsein stärken. Für ihre vielfältigen Dienste sind wir dankbar.
Vor allem aber wird unsere Gesellschaft menschliche Wärme nur in dem Maße ausstrahlen, in dem jeder einzelne seiner Verantwortung gerecht wird - in der Familie, gegenüber Nachbarn, gegenüber Schwächeren und Benachteiligten, aber auch gegenüber der Natur.
Die Bundesregierung kann durch ihre praktische Politik wichtige Zeichen für die Entwicklung in die Zukunft setze. Sie kann, muß und wird sich dabei selbstverständlich der geistigen Auseinandersetzung stellen.
Freiheit verantworten, Leben und Menschenwürde schützen sowie den inneren Frieden sichern - das vor allem meinen wir, wenn wir für ein klares Wertebewußtsein plädieren.
In unserer Zeit wird die Notwendigkeit ethischer Maßstäbe, wie sie auch Grundlage unseres Grundgesetzes sind, immer stärker empfunden. Fortschritt - das wissen wir - hatte schon immer seinen Preis. Aber wir wollen seinen Nutzen für die Menschen nicht missen.
Unser Lebensalltag ist von vielen Belastungen befreit, die frühere Generationen noch selbstvertändlich ertragen müßten. Der medizinische Fortschritt hat die Lebenserwartung erheblich verlängert. Erfindungsgabe hat unseren Arbeitsalltag erleichtert und uns zu einem Wohlstandsniveau verholfen, das wir kaum noch zu schätzen wissen, weil es für viele viele so alltäglich geworden ist.
Der demokratische Rechtsstaat brachte uns Freiheit und Frieden im Innern. Die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung der Sozialen Marktwirtschaft, die wir Deutsche nach Krieg und Diktatur verwirklicht haben, gewährleistet uns unsere soziale Sicherheit. Diese Errungenschaften gilt es zu bewahren.
Die Chancen des wissenschaftlich-technischen Fortschritts müssen wir auch in Zukunft nutzen.
Aber es wird uns auch immer bewußter, daß wir in Bereiche vorstoßen, die die Grundfragen menschlicher Existenz berühren. Jeder spürt, daß es Grenzen gibt, die wir nicht überschreiten dürfen. Deshalb müssen zum Erkenntnisdrang ein Höchstmaß an Sachkenntnis und sittliche Verantwortung treten. Wissen und Gewissen lassen sich nicht voneinander trennen.
Das Leben zu schützen und die Achtung von Personalität und Würde des Menschen zu gewährleisten sind eine Staatsaufgabe ersten Ranges. Eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission aus Moraltheologen, Natur- und Geisteswissenschaftlern sowie Rechtsexperten hat dazu - vor allem zur Gentechnologie - Empfehlungen vorgelegt. Wir werden daraus die notwendigen Konsequenzen ziehen.
Zusammen mit den Ergebnissen der Enquetekommission Gentechnologie des Deutschen Bundestages bilden diese Empfehlungen die Grundlage für unsere Beratungen über ein Embryonenschutzgesetz und für andere gesetzgeberische Maßnahmen. Dabei sind auch die komplizierten Fragen im Zusammenhang mit Leihmutterschaft und künstliche Befruchtung weiter zu klären. Wir werden es nicht zulassen, daß der Mensch zum Gegenstand genetischer Manipulationen herabgewürdigt wird, und der Wunsch nach Kindern darf nicht zu unwürdigen Geschäften führen.
Zum Umgang mit dem Fortschritt in unserer Welt gehen Behutsamkeit, damit uns der Fortschritt nicht über den Kopf wächst, aber auch Mut zur Forschung, weil wir sonst gegen Elend, Not und Krankheit in der Welt nicht das Menschenmögliche täten.
Daß die Erfüllung dieser Aufgabe für jeden einzelnen schicksalhaft sein kann, zeigt eine lebensgefährliche Bedrohung, die die Menschen auch in unserem Land aufrüttelt: AIDS. Diese Krankheit ist bisher unheilbar. Es gibt weder einen Impfstoff noch ein Heilmittel. Sie zu finden ist jeder Anstrengung wert. Kein sinnvolles Forschungsvorhaben darf und wird an fehlendem Geld scheitern.
Durch eine Pflicht für Labors zu anonymen Berichten sollen in einem Zentralen AIDS-Infektions-Register verläßliche Daten über die Ausbreitung der Krankheit gesammelt werden.
Der Kampf gegen AIDS fordert alle verantwortbaren Anstrengungen zum Schutz der Gesunden vor Ansteckung dazu gehören die notwendigen Tests - und zur Hilfe für die Erkrankten und Infizierten.
Wer AIDS ohne Rücksicht auf andere verbreitet, gegen den werden wir mit allen rechtlichen Mitteln vorgehen. Doch wichtiger ist, daß jeder weiß, was er tun kann, um Ansteckung zu vermeiden. Für eine Offensive gegen AIDS werden alle notwendigen Mittel zur Verfügung stehen, auch für die besonders dringlichen und erforderlichen Aufklärungsmaßnahmen.
Notwendig ist sittlich zu verantwortendes Verhalten. Mancher denkt heute ganz neu über den Wert sittlicher Normen für die menschliche Existenz nach. Es wächst wieder der Sinn für verantwortete Freiheit, wo der einmalige Wert des menschlichen Lebens auf dem Spiel steht.
Diese Stärkung des Wertebewußtseins ist auch die beste Voraussetzung für einen wirksamen Schutz des ungeborenen Lebens.
Wir alle sind verpflichtet, das in unserer Kraft Stehende zu tun, um die erschreckend hohe Zahl von Schwangerschaftsabbrüchen aus sozialer Notlagenindikation soweit wie möglich zu senken. Wir werden ein Beratungsgesetz erlassen, das den Schutz des ungeborenen Lebens entsprechend der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1975 in den Mittelpunkt stellt. Die staatliche Förderung wird verbessert, und wir werden auch die notwendigen flankierenden Maßnahmen ausbauen.
Hier stoßen wir aber auch an die Grenzen der Möglichkeiten des Staates. Entscheidend ist letztlich die Einstellung der Gesellschaft, der Menschen in unserem Land, zum ungeborenen Leben und zur Familie.
Wer sich Rechte anderer eigenmächtig verfügbar macht insbesondere das Lebensrecht -, der erschüttert das Fundament der Werteordnung, die unsere Gesellschaft zusammenhält.
Wir bekennen uns ausdrücklich zu einer Gesellschaftsordnung, die die Freiheit des einzelnen sichert; und in der Vielfalt unseres Gemeinwesens sehen wir ein Gütesiegel deutscher Demokratie. Aber gerade eine offene und pluralistische Gesellschaft braucht die Bereitschaft aller Bürger, Konflikte, die sich aus Unterschieden in den Interessen oder Meinungen ergeben können, friedlich und in gegenseitiger Achtung auszutragen. Sie braucht den Konsens über ihre Grundlagen.
Dieser Konsens, der auch unsere Verfassung, das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, trägt, umfaßt unbedingt die Achtung der Menschenwürde, die Anerkennung des demokratischen Mehrheitsprinzips, das den Respekt vor Minderheiten einschließt sowie den Verzicht auf jegliche Gewaltanwendung.
Wer das Mehrheitsprinzip leugnet und attackiert und die eigene politische Meinung absolut setzt, zerstört unsere Demokratie. Wer offen zum Gesetzesbruch aufruft, will vom Rechtsstaat nichts wissen. Wer zur Gewaltanwendung bereit ist, sagt der inneren Friedensordnung unserer Republik den Kampf an. Wieviel uns diese Friedensordnung wert sein muß, lehrt die leidvolle Erfahrung unseres Volkes in diesem Jahrhundert.
An Gewalttätigkeit - wie immer sie motiviert ist oder begründet wird - darf sich niemand in der Bundesrepublik Deutschland gewöhnen.
Der freiheitliche Rechtsstaat kann ohne das staatliche Gewaltmonopol nicht bestehen. Die brutalste Herausforderung ist der Terrorismus. Wir werden bei den schwierigen Fahndungsaufgaben unseren Sicherheitsbehörden den notwendigen Rückhalt und die notwendige Unterstützung geben, nicht zuletzt auch auf der Ebene der internationalen Zusammenarbeit.
Auch wer bestimmte Gewalttaten durch eine Unterscheidung zwischen Gewalt gegen Menschen und Gewalt gegen Sachen rechtfertigen will, stellt sich außerhalb unserer Verfassung. So sind Anschläge auf Bundesbahnstrecken und das Umsägen von Strommasten keine Kavaliersdelikte, sondern gemeingefährlich und verbrecherisch.
Auch für Gewalttaten bei Demonstrationen gibt es keinerlei Rechtfertigung oder Entschuldigung. Unser Grundgesetz verbürgt das klassische Freiheitsrecht, sich friedlich zu versammeln. Wir müssen alles tun, um es zu gewährleisten, weil es ein Freiheitsrecht ist. Wir müssen auch alles tun, um gewalttätige Demonstrationen zu verhindern. Hier besteht Handlungsbedarf ebenso wie bei der Bekämpfung des Terrorismus.
Bei dem Recht auf friedliche Demonstration geht es auch um die Freiheit der politischen Willensbildung. Diese Freiheit setzt die klare Absage an jegliche Gewaltanwendung voraus. Wer bei Demonstrationen Gewalt übt, beschädigt unsere Freiheitsordnung in ihrem Kern. Wenn unsere Polizeibeamten im Einklang mit dem Recht und in Ausübung ihrer Pflicht Gewalttäter isolieren und festnehmen, verdienen sie Unterstützung. Wir danken ihnen für diesen Dienst am inneren Frieden.
Auch jene, die Gewalttäter als Hilfstruppen in der politischen Auseinandersetzung akzeptieren, müssen auf unseren entschiedenen Widerstand stoßen. Wer durch die Art seines Protestes Gewalttaten fördert oder billigend in Kauf nimmt, trägt Mitverantwortung für die Konsequenzen.
Über alle politischen Differenzen hinweg muß doch Einigkeit darüber bestehen, daß gewalttätige Rechtsbrecher keine Nachsicht und schon gar nicht Unterstützung verdienen. Gerade wo der innere Frieden in unserem Gemeinwesen in Frage steht, darf der Konsens der Demokraten nicht zerbrechen. Nur wer sich für den inneren Frieden engagiert, ist auch glaubwürdig bei seinem Einsatz für den Frieden in der Welt.
Uns allen sollte daran liegen, diese Verständigung über unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung jungen Menschen zu vermitteln und dafür zu werben, daß sie ganz selbstverständlich allgemein geachtet und eingehalten wird.
Wirtschaftskraft entfalten, sozialen Halt geben und menschengerecht modernisieren - darin vor allem bewährt sich die Soziale Marktwirtschaft.
Wir halten an der Sozialen Marktwirtschaft fest, denn in dieser Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung können Freiheit und Selbstverantwortung in Solidarität mit dem Nächsten und in Übereinstimmung mit dem Gemeinwohl gelebt werden.
Wie keine andere Ordnung ist die Soziale Marktwirtschaft geeignet, Gleichheit der Chancen, Wohlstand, Schutz der Umwelt und sozialen Fortschritt zu verwirklichen und damit die Zukunft zu sichern.
1. Mehr Beschäftigung und nachhaltige Verringerung der Arbeitslosigkeit bleiben eine zentrale Aufgabe unserer Politik.
Unverschuldet arbeitslos zu sein, damit darf sich unsere Gesellschaft niemals abfinden. Die Arbeitslosigkeit abzubauen erfordert langen Atem und die Bereitschaft aller Beteiligten und Betroffenen zu eigenen Anstrengungen.
Die Erfolge der letzten Jahre zeigen, daß wir auf dem richtigen Weg sind. Die Zahl der Beschäftigten hat sich seit dem Tiefpunkt im Herbst 1983 um über 600000 erhöht. Die Zahl der Arbeitslosen lag zuletzt um 100000 unter dem Stand des Vorjahres.
Wir werden den erfolgreichen Kurs der Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen fortsetzen. Eine offensive Strategie zur Stärkung der Wachstumskräfte führt auch zu mehr Beschäftigung.
Am Markt vorbei können dauerhafte Arbeitsplätze weder geschaffen noch gesichert werden. Staatliche Planung - das haben wir ja erlebt - kann den Markt nicht ersetzen. Der Staat ist und bleibt aber gefordert, bei schwierigen strukturpolitischen Anpassungsprozessen Hilfe zu leisten. Die Bundesregierung hat dies in den zurückliegenden Jahren getan. Ich denke dabei an Kohle, Stahl und Werften.
Wir werden weiterhin unseren Einfluß in der Europäischen Gemeinschaft geltend machen, um faire Wettbewerbsbedingungen durchzusetzen, die nicht durch Subventionen verzerrt werden. Unsere Stahlunternehmen und die deutschen Werften wird die Bundesregierung in dieser schwierigen Phase weiter unterstützen, auch um die sozialen Folgen des Strukturwandels, vor allem an der Ruhr und an der Saar, aufzufangen. Sie wird sich dementsprechend dafür einsetzen, daß das Programm zur Förderung von Ersatzarbeitsplätzen an Stahlstandorten verlängert wird. Auch die sozialen Hilfen für Stahlarbeiter im Rahmen des Montanunionvertrags werden verbessert. Kurzarbeitergeld für Stahlarbeiter kann künftig für 36 Monate gezahlt werden.
In Brüssel wird die Bundesregierung dafür eintreten, daß ein verbindlicher Plan der europäischen Stahlindustrie zum Abbau von Überkapazitäten durch eine Quotenregelung begleitet wird.
Ich sehe zugleich mit Sorge, daß die wirtschaftliche Entwicklung in einzelnen Bundesländern und Regionen sehr unterschiedlich verläuft. Deshalb hilft die Bundesregierung mit der Gemeinschaftsaufgabe ‚Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur' beim Abbau regionaler Ungleichgewichte. Sie unterstützt auch zum Beispiel die norddeutschen Küstenländer bei der Lösung ihrer schwerwiegenden Probleme im Gefolge der weltweiten Schiffbaukrise. Wenn andere Regionen ähnlich hart vom Strukturwandel einzelner Branchen betroffen sind, werden wir zusammen mit den einzelnen betroffenen Bundesländern im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe die dafür notwendigen Mittel zeitlich befristet bereitstellen. Es ist für uns selbstverständlich, daß die Zonenrandförderung fortgesetzt wird.
Der Schwerpunkt unserer offensiven Arbeitsmarktpolitik liegt bei beruflicher Qualifizierung und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Aus- und Weiterbildung sind ein Schlüssel für mehr Beschäftigung.
Die Lehrstellenaktionen, bei denen so viele mithelfen, geben jungen Menschen eine gute Chance beim Start ins Berufsleben.
Eine gute Ausbildung in unserem bewährten dualen System ist die beste Vorkehrung gegen Arbeitslosigkeit.
Wir werden unsere Qualifizierungsoffensive fortführen:
- Für benachteiligte Jugendliche, vor allem Mädchen, die es bei der Vermittlung in Ausbildungsplätze besonders schwer haben, wird die Förderung auf eine gesetzliche Grundlage gestellt.
- Für arbeitslose Jugendliche ohne abgeschlossene Ausbildung wird der Zugang zur Qualifizierungsförderung erleichtert.
- Auch älteren, vor allem langfristig Arbeitslosen werden wir durch die Verbesserung bestehender Instrumente verstärkt helfen, wieder zur Beschäftigung zu finden.
- Arbeitslose, die sich eine selbständige Existenz aufbauen wollen, werden von uns wirksamer unterstützt.
Der wirkungsvollste Beitrag zur Qualifizierungsoffensive ist aber von den Betrieben selbst und von den Tarifparteien zu erbringen. Sie dürfen in ihren Anstrengungen nicht nachlassen.
Die Schutzfunktion der Arbeitslosenversicherung werden wir insbesondere durch eine weitere Verlängerung des Arbeitslosengeldes für ältere Arbeitslose ausbauen.
Zur besseren Bekämpfung der Schwarzarbeit werden wir unter anderem einen Sozialversicherungsausweis in den dafür geeigneten Branchen einführen.
Wir sind für Tarifautonomie, und Tarifautonomie heißt auch: Die Tarifpartner entscheiden über so zentrale Eckdaten wie Löhne, Arbeitszeit und damit den größeren Teil der Lohnnebenkosten. Sie tragen deshalb hohe Verantwortung für mehr Beschäftigung.
Wir brauchen mehr Flexibilität, gerade auch von den Tarifpartnern. Teilzeitarbeitsplätze sind gefragt, sie müssen vermehrt angeboten werden. Der öffentliche Dienst - und dazu sind wir entschlossen - muß mit gutem Beispiel vorangehen.
Die Tarifpartner sollten stärker zu einer partnerschaftlichen Allianz für Investitionen, Arbeitsplätze und mehr Verteilungsgerechtigkeit zusammenfinden. In diesem Sinne müssen auch die Chancen unserer Vermögenspolitik neu gestaltet und besser genutzt werden. Wir wollen dabei die Beteiligung breiter Arbeitnehmerschichten am Produktivkapital stärker in den Mittelpunkt rücken und zugleich den Verwaltungsaufwand für die Betriebe drastisch verringern.
Die Bundesregierung legt Wert auf das offene und intensive Gespräch mit den Tarifpartnern. Das gilt selbstverständlich auch für die Gewerkschaften, trotz mancher Konflikte in der vergangenen Zeit. Die deutschen Gewerkschaften haben Entscheidendes zu Aufbau und Stabilität unserer Bundesrepublik Deutschland geleistet. Ich appelliere auch heute an ihr Verantwortungsbewußtsein; denn ohne einen Grundkonsens der gesellschaftlichen Gruppen sind die Herausforderungen der Zukunft letztlich nicht zu bestehen.
Die Montanmitbestimmung werden wir erhalten und dabei das Wahlverfahren zugunsten der Betriebsangehörigen verbessern.
Zum sozialen Frieden gehören auch Partnerschaft in den Betrieben. Betriebsräte und Vertrauensleute verdienen Anerkennung für ihren Einsatz im Interesse der Arbeitskollegen.
Wir wollen das Betriebsverfassungsgesetz weiterentwickeln, um Minderheiten mehr gerecht zu werden, um leitenden Angestellten Sprecherausschüsse und Auszubildende eine bessere Vertretung zu sichern und um einen humanen Einsatz neuer Techniken zu fördern.
2. Wir schaffen neue Freiräume für persönliche Leistung und eigenverantwortliches Handeln.
Das Beste, was wir für mehr Beschäftigung tun können, ist die Förderung von Eigeninitiative, Selbständigkeit und Unternehmungsgeist. Dabei bleiben wir auf einen starken Mittelstand angewiesen. Handwerk, kleine und mittlere Unternehmungen, Selbständige und freie Berufe tragen ganz entscheidend zur Bewältigung der Herausforderungen an die deutsche Wirtschaft bei. Unsere aktive Mittelstandspolitik dient dem Ausgleich größenbedingter Nachteile.
Zu den wichtigsten Erfolgen der letzten vier Jahre gehört die Überwindung der Inflation und der Inflationserwartungen. Dazu hat eine solide Wirtschafts- und Finanzpolitik entscheidend beigetragen. Wir haben weltweit mit die stabilsten Preise, was allen Bürgern, vor allem den sozial Schwachen, zugute kommt.
Geldwertstabilität auch in Zukunft zu sichern, bleibt ein vorrangiges Ziel. Deshalb müssen die Finanzpolitik des Bundes und die Geld- und Kreditpolitik der Bundesbank einander weiterhin harmonisch ergänzen.
Die privaten Investitionen haben kräftig zugenommen, begünstigt durch niedrige Zinsen. Auch die öffentlichen Investitionen steigen seit 1985 wieder kontinuierlich an.
Wir nutzen die Konsolidierungsfortschritte bei Bund, Ländern und Gemeinden für eine Senkung der Steuerlast.
Erste Entscheidungen wurden schon in der vergangenen Wahlperiode wirksam, vor allem für die Berufstätigen mit Kindern und die Unternehmungen. Jetzt geht es um eine umfassende Steuerreform mit einer erheblichen Senkung der Tarife und um eine gerechtere Steuerstruktur durch weniger Sonderregelungen und Steuersubventionen.
Im Mittelpunkt steht ein Einkommensteuertarif mit völlig neuem Profil. Kernstück ist ein sanft ansteigender linearer Tarif. Er ist sozial ausgewogen, mittelstandsfreundlich und leistungsgerecht.
Das Schwergewicht der Entlastung liegt bei den unteren und mittleren Einkommen sowie den Familien. Allein durch die beträchtliche Anhebung des Grundfreibetrages erreichen wir, daß eine halbe Million Bürger zusätzlich keine Steuern mehr zahlen.
Gleichzeitig verbessern wir mit der Begradigung des Tarifverlaufs und der geringeren Belastung des einbehaltenen Gewinns die Ertragskraft, die Eigenkapitalbildung und die Investitionsfähigkeit der Unternehmen. Dabei wird den besonderen Problemen des Mittelstandes durch zusätzliche Maßnahmen Rechnung getragen.
Diese Entlastungen erweitern nicht nur den Spielraum für eigenverantwortliches Handeln. Mit der dringend gebotenen Verbesserung der steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen stärken wir zugleich die Chancen für Wachstum und Arbeitsplätze.
Die Steuerreform tritt 1990 in Kraft. Wir ziehen allerdings einen Teil in Höhe von 5 Milliarden DM auf Anfang 1988 vor, um die bereits beschlossene Steuersenkung zu verstärken. Zum 1. Januar 1988 wird die Entlastung somit 14 Milliarden DM betragen:
Für den Zeitraum von 1986 bis 1990 ergibt sich damit insgesamt eine echte Nettoentlastung der Steuerzahler von rund 45 Milliarden DM. Eine vergleichbare Steuersenkung hat es bisher in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland nicht gegeben.
Damit haben wir steuerpolitische Weichen für den Übergang in die neunziger Jahre gestellt. Investoren und Verbraucher können sich bei ihren Planungen und Entscheidungen weiterhin auf verläßliche und berechenbare Rahmenbedingungen stützen.
Für einen Teil der Bruttoentlastung sind Umschichtungen im Steuersystem erforderlich, die wir vor allem mit einer Verbreiterung der Bemessungsgrundlage anstreben. Mit weniger Ausnahmen erreichen wir zugleich mehr Steuergerechtigkeit.
Eine vorübergehende Erhöhung der Neuverschuldung ist in Verbindung mit einer so anspruchsvollen Reform vertretbar. Wir werden jedoch nicht in die Schuldenwirtschaft vergangener Jahre zurückfallen, sondern wir werden strenge Ausgabendisziplin üben. Deshalb wird die Koalition der Mitte über weitere notwendige Leistungsgesetze erst Mitte dieser Legislaturperiode entscheiden.
Weil wir die Steuern auf solider Basis dauerhaft senken, müssen wir den Zuwachs der öffentlichen Ausgaben begrenzen. Auf allen staatlichen Ebenen bleibt deswegen eine sparsame Haushaltsführung geboten.
Wichtige Aufgaben stellen sich bei der Neuordnung des Finanzausgleichs und der Neufestsetzung der Umsatzsteueranteile von Bund und Ländern. Auch die Länder müssen bei dieser schwierigen Entscheidung untereinander zu einem fairen Ausgleich fähig sein.
Alle Beteiligten müssen den unterschiedlichen Entwicklungen in den einzelnen Regionen, aber auch in der Aufgabenverteilung von Bund und Ländern fair und angemessen Rechnung tragen.
3. Wir müssen den Strukturwandel bewältigen, unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit sichern und den Welthandel offenhalten.
Wir stehen vor der Aufgabe, unsere Wirtschaft an die sich verändernden Bedingungen des internationalen Wettbewerbs und an die neuen Möglichkeiten des technischen Fortschritts anzupassen. Wissenschaftlich-technische Innovationen sind der Lebensnerv einer modernen, weltoffenen Volkswirtschaft. Spitzenleistungen und Kooperationsfähigkeit in Forschung und Technologie haben unser Ansehen als wichtiger Partner in der Welt gestärkt.
Mit der deutsch-französischen Initiative EUREKA haben wir gerade in diesem Zusammenhang der europäischen Zusammenarbeit neue Impulse gegeben.
Wir haben die Grundlagenforschung in unserem Land wieder gestärkt. So wird sie ein wichtiger Schwerpunkt auch in einem weiterführenden Konzept für Informationstechnik sein.
Bei Weltraumforschung und -technologie stehen wir vor weitreichenden Entscheidungen über eine noch engere Zusammenarbeit mit unseren europäischen Partnern, um eine starke Kooperation mit unseren amerikanischen Freunden zu ermöglichen. An der Vorbereitungsphase der großen europäischen Projekte wie Ariane, Hermes und Columbus, dem europäischen Beitrag zu der von Präsident Reagan vorgeschlagenen internationalen Weltraumstation, sind wir beteiligt. Wir werden gemeinsam mit unseren Partnern die Planungen der europäischen Weltraumagentur sorgfältig prüfen und die dann notwendigen Entscheidungen über die Prioritäten treffen.
Ein herausragendes Beispiel für erfolgreiche Technologiekooperation ist das Airbus-Programm. Die Bundesregierung ist zur Fortführung und Erweiterung bereit. Allerdings muß auch die Luftfahrtindustrie einen höheren Eigenbeitrag erbringen.
In der Forschungsförderung wird die Bundesregierung die notwendige Pluralität sichern und ausbauen. Auch die Wissenschaft braucht den Wettbewerb.
Hochqualifizierte junge Wissenschaftler werden wir weiterhin fördern, denn wir sind auf diese Leistungseliten angewiesen. Die Bundesregierung wird im Gespräch mit den Ländern darauf drängen, daß Nachwuchswissenschaftler in den Hochschulen zusätzliche Chancen erhalten.
Auch der Privatwirtschaft muß an mehr Unterstützung des wissenschaftlichen Nachwuchses gelegen sein. Wissenschaft und Wirtschaft müssen noch enger zusammenarbeiten.
Die Anpassung der Unternehmungen an sich verändernde Marktbedingungen hängt nicht nur vom technologischen Standard ihrer Produkte ab, sondern auch von der Gestaltung unserer Wettbewerbsordnung. Unerläßlich bleibt die konsequente Anwendung - und, wo notwendig, Ergänzung - des geltenden gesetzlichen Instrumentariums, insbesondere auch im Blick auf die weitere Entwicklung im Lebensmitteleinzelhandel und die kartellrechtlichen Ausnahmebereiche.
Für den Bereich des Fernmeldewesens wird die 1985 eingesetzte Regierungskommission in Kürze ihre Empfehlungen vorlegen. Danach wird die Bundesregierung das Post- und Fernmeldewesen neu strukturieren und Maßnahmen zu einer verbesserten Marktöffnung ergreifen.
Auch bei der Bundesbahn werden wir uns darauf konzentrieren, neben weiteren Schritten zur Konsolidierung der Wirtschaftslage die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Dies gilt vor allem, weil sich die Deutsche Bundesbahn in einem Verkehrsmarkt mit europäischen Dimensionen wird behaupten müssen. Wir wollen darauf hinwirken, daß neue Bahntechniken eingesetzt werden und daß der europäische Binnenmarkt auch für die deutschen Verkehrsträger faire Chancen bringt. Dazu muß mit der Liberalisierung des Binnenmarktes Zug um Zug auch die Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen einhergehen.
Die Leistungsfähigkeit unserer Handelsflotte wollen wir gewährleisten. Der weitere umweltgerechte Ausbau von Verkehrswegen ist notwendig für Wachstum und Beschäftigung, aber auch für mehr Verkehrssicherheit.
Mehr Chancen für Privatinitiative sind tragende Elemente der Sozialen Marktwirtschaft. Mit der weiteren Privatisierung öffentlicher Beteiligungen werden wir den Markt und den Wettbewerb stärken. Mit unserer Politik für Wettbewerb und offene Märkte sind wir nicht nur zu einer der größten Exportnationen der Welt geworden, sondern auch zum zweitgrößten Abnehmer von Waren auf dem Weltmarkt.
Freier Austausch und nicht Protektionismus sichert Beschäftigung und Wohlstand. Deshalb ist die neue GATT-Verhandlungsrunde von ganz entscheidender Bedeutung. Jetzt geht es auch schon um die Welthandelsordnung für das Jahr 2000.
In diesem Zusammenhang stehen auch die Schuldenprobleme zahlreicher Länder, vor allem in der Dritten Welt. Sie behindern Wachstum und Handel und gefährden das internationale Wirtschafts- und Finanzsystem. Die Bundesrepublik Deutschland wird als wichtiger Partner und Gläubiger der verschuldeten Länder aktiv an der Lösung der Probleme mitarbeiten. Wir treten deshalb für eine unverzügliche erhebliche Kapitalaufstockung bei der Weltbank ein. Darüber hinaus müssen die Industrieländer ihre Märkte stärker für die Erzeugnisse der Entwicklungsländer öffnen.
Unsere Mitverantwortung für die wirtschaftliche Entwicklung in der Dritten Welt haben wir selbstverständlich auch bei der Energiepolitik zu berücksichtigen.
4. Wir brauchen eine zuverlässige und kostengünstige Energieversorgung, die höchsten Anforderungen der Sicherheit und des Umweltschutzes standhält.
Praktisch alle gangbaren Wege zur Energiegewinnung sind, wie wir wissen, mit Risiken verbunden. Wir stehen in der Verantwortung, diese Risiken so gering wie möglich zu halten.
Das gilt insbesondere für die Kernenergie. Für ihre friedliche Nutzung sprechen gute Gründe: Sie belastet unsere Umwelt weniger als Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen. Sie schont natürliche Ressourcen wie Öl, Erdgas und Kohle, auf die die Länder der Dritten Welt besonders angewiesen sind. Sie bietet wirtschaftliche Vorteile, und sie gewährleistet eine sichere Versorgung.
Die Nutzung der Kernenergie ist verantwortbar, weil unsere Sicherheitsvorkehrungen höchsten Ansprüchen genügen, Die Bundesregierung wird weiterhin streng darauf achten, daß alle Vorschriften genauestens eingehalten werden.
Wir bleiben auf die Nutzung der Kernenergie angewiesen, solange es keine mindestens ebenso sichere, umweltschonende und wirtschaftliche Alternative gibt.
Unser Wissen um eine sichere Nutzung der Kernenergie wollen wir weiterentwickeln, und wir streben nach möglichst breiter internationaler Übereinstimmung über ein Höchstmaß an Sicherheit. Dabei können wir an die Ergebnisse der von der Bundesregierung beantragten Sonderkonferenz der Internationalen Atomenergie-Organisation anknüpfen.
Im nationalen Rahmen bleibt die Nutzung der Kernenergie durch ihre günstigen Erzeugungskosten unentbehrliche Voraussetzung für die Verstromung heimischer Kohle. Die Kernenergie erlaubt uns wirtschaftlich die Verwirklichung des Jahrhundertvertrags mit seiner Kohleabnahmegarantie.
Niemand kann erwarten, daß die revierfernen Bundesländer die Lasten der Verstromungsregelung weiter in vollem Umfang mittragen, wenn sie andererseits gehindert werden, die Kernenergie zur Senkung ihrer Stromkosten zu nutzen. Für das eigene Bundesland aus vordergründig parteipolitischen Gründen Hilfen für den Bergbau zu fordern und sich gegen die Nutzung von Kernenergie in anderen Bundesländern zu wenden - das paßt nicht zusammen, das ist unehrlich. Solidarität darf keine Einbahnstraße sein. In diesem Zusammenhang steht auch die weitere Umsetzung des integrierten Entsorgungskonzepts, zu dem auch die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf gehört.
Wir wollen und werden auf die Kohle als einzige nennenswerte nationale Energiereserve nicht verzichten. Sie wird und muß auch in Zukunft ihren wichtigen Beitrag zur Energieversorgung leisten.
Nachdem der Hüttenvertrag bereits bis zum Jahr 2000 verlängert ist, wird die Bundesregierung zügig die Verhandlungen mit allen Beteiligten über die Anschlußregelung für den Jahrhundertvertrag aufnehmen, der in seinem Kern unverzichtbar ist.
Der Bergbau muß seinerseits verstärkte Anstrengungen zur Kostensenkung unternehmen. Gleichzeitig kann die Bundesregierung zurückgehende Nachfrage der Stahlindustrie und des Wärmemarktes nicht ersetzen. Aber auch in Zukunft wird sie Kapazitätsanpassungen im Kohlebergbau sozial flankieren.
Unsere Anstrengungen für einen sparsamen Energieverbrauch dürfen nicht nachlassen. Dabei kommt es, wie jeder weiß, auch auf das Verhalten des einzelnen Verbrauchers an. Wir wollen die Entwicklung energiesparender Techniken weiter betreiben und fördern. Mit besonderem Nachdruck werden wir die Erforschung und Förderung von langfristigen Energiealternativen vorantreiben, vor allem bei erneuerbaren Energien und bei der Kernfusion. Von einer verläßlichen Energiepolitik hängt unsere Wettbewerbsfähigkeit und damit auch die Zukunft der Arbeitsplätze ab.
5. Eine leistungsfähige Wirtschaft ermöglicht sozialen Halt und praktische Solidarität mit den Schwächeren In unserer Gesellschaft.
Für sozialen Ausgleich steht nur bereit, was zuvor erarbeitet und erwirtschaftet worden ist. Das ‚ganzheitliche Denken' in wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftspolitischen Zusammenhängen gehört zu den Grundlagen der Sozialen Marktwirtschaft.
Zu den vordringlichen Aufgaben der Sozialpolitik zählt die Reform unseres Gesundheitssystems. Dabei stehen wir vor erheblichen strukturellen Problemen: Überversorgung in vielen Bereichen und zugleich Versorgungsdefizite. Es fehlen Anreize, sich wirtschaftlich und auch verantwortungsbewußt zu verhalten. Sparsamkeit wird oft nicht belohnt, Verschwendung wird zu häufig leicht gemacht.
Wir wollen den hohen Leistungsstand der gesundheitlichen Versorgung unseres Landes bewahren. Wir brauchen aus all diesen Gründen eine Generalüberholung der sozialen Krankenversicherung mit dem Ziel erhöhter Wirtschaftlichkeit bei vertretbaren Beitragssätzen. Eine umfassende Strukturreform im Gesundheitswesen wird unverzüglich eingeleitet. Die Bundesregierung wird dazu noch in diesem Jahr einen Gesetzentwurf vorlegen.
Eine besondere Aufgabe für die gesamte Gesellschaft ist die soziale Sicherung bei Pflegebedürftigkeit, die angesichts der vielfältigen Probleme und der großen finanziellen Dimensionen nur schrittweise gelöst werden kann. Wir wollen die häusliche Pflege so unterstützen, daß Pflegebedürftige so lange wie möglich in ihrer vertrauten Umgebung bleiben können. Die steuerlichen Hilfen für Schwerstpflege und für private Vorsorge werden verstärkt.
Unsere Rentenversicherung, wie sie seit der Reform unter Konrad Adenauer besteht, bleibt das Kernstück unserer sozialen Sicherung. Die Bürger der Bundesrepublik Deutschland können darauf vertrauen, daß sie im Alter als Gegenleistung für ihre während ihres Arbeitslebens gezahlten Beiträge eine angemessene Rente erhalten. Die Rente ist und bleibt sicher.
Die Erziehungszeiten im Rentenrecht werden schrittweise auch auf ältere Mütter ausgedehnt, so wie wir es vor der Wahl versprochen haben. Bereits in diesem Jahr erhalten über eine Million der ältesten von ihnen diese zusätzliche Rentenleistung.
Die demographische Entwicklung macht eine Rentenstrukturreform unumgänglich. Renten und verfügbare Arbeitnehmereinkommen sollen sich nach unseren Vorstellungen gleichgewichtig entwickeln. Die beitragsfreien und beitragsgeminderten Versicherungszeiten werden neu geordnet.
Die demographisch bedingten Mehraufwendungen für alle Beteiligten müssen angemessen verteilt werden. Auch deshalb wird sich der Bund mit einem höheren Bundeszuschuß beteiligen als nach geltendem Recht.
Langfristig wollen wir den Übergang vom Arbeitsleben in die Rente flexibler gestalten und die Möglichkeiten für eine Verlängerung der tatsächlichen Lebensarbeitszeit verbessern.
Die Bundesregierung wird bis Anfang 1988 einen Entwurf zur Strukturreform der Rentenversicherung vorlegen, für den wir eine breite Diskussion und Konsens anstreben. Die Bundesregierung bekräftigt hierzu ausdrücklich ihr Angebot an die Opposition, an die Sozialpartner, an die interessierten gesellschaftlichen Gruppen, an dieser wichtigen gemeinsamen Aufgabe der Zukunftsgestaltung mitzuwirken.
Die Kriegsopfer werden weiterhin wie die Rentner an der Entwicklung der verfügbaren Einkommen der Arbeitnehmer teilhaben. Das Leistungssystem der Kriegsopferversorgung wird durch strukturelle Verbesserungen weiterentwickelt. Jene, die für unser Land vielfach schwere Opfer gebracht haben, können von uns allen Solidarität erwarten. Wir danken auch den Kriegsopferverbänden für ihre wichtige Arbeit.
Besonders unsere behinderten Mitbürger brauchen Hilfe und Unterstützung, damit sie von keinem Bereich des Lebens ausgeschlossen werden. Mit Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation werden wir weiterhin die Eingliederung in das Arbeitsleben fördern. Hier sind aber auch die Arbeitgeber gefordert. Behinderte Mitbürger brauchen unsere Aufgeschlossenheit und Hilfsbereitschaft überall im Lebensalltag.
Menschliche Geborgenheit wachsen lassen, die Umwelt schützen und die Chancen der Freiheit mehren - dadurch soll sich unsere humane Industriegesellschaft auszeichnen.
Deutschland, unser Vaterland, ist ein schönes Land, und so wollen wir es uns erhalten. Auch deshalb müssen wir unsere Verantwortung gegenüber Natur und Umwelt ernst nehmen. Wir sind ein wirtschaftlich erfolgreiches Land - das soll so bleiben -, aber wir stellen fest: Gerade wenn es den Menschen materiell gutgeht, verlangen sie aus gutem Grund nach Werten ‚jenseits von Angebot und Nachfrage'.
Wir sind stolz auf unseren Sozialstaat - vorbildlich in der Welt -, und doch wissen wir, daß das soziale Wohlbefinden der Menschen aus Quellen fließt, die nicht der Staat und die Politik speisen: aus menschlicher Zuwendung, aus Geborgenheit und Verläßlichkeit in der Familie, im Kreis der Freunde, in der Nachbarschaft.
Ich weiß sehr wohl: Politik oder Staat können letztlich menschliches Glück nicht bewirken. Doch politische Entscheidungen können Lasten aufbürden und sie abnehmen. Politik - das ist unsere Überzeugung - muß dem Menschen den nötigen Freiraum lassen, damit er selbst seinen persönlichen Weg zum Glück finden kann.
1. Wir wollen menschliche Bindungen stärken - durch Politik für die Familien, für Partnerschaft zwischen Mann und Frau und für das Miteinander der Generationen.
Die Koalition der Mitte wird ihre familienfreundliche Politik weiterführen und ausbauen, denn die Familie bleibt das Fundament unseres Staates. Sie ist der erste und wichtigste Ort individueller Geborgenheit und Sinnvermittlung. Partnerschaft zwischen Mann und Frau, Liebe zu Kindern, Solidarität zwischen den Generationen - das alles kann unsere Gesellschaft nur prägen, wenn es sich in der Familie bewährt.
Deutschland soll ein kinderfreundliches Land sein, weil Kinder unser Leben bereichern und dem Land menschliche Wärme spenden. Das Ja zum Kind ist eine höchstpersönliche Entscheidung, aber der Staat, die Gesellschaft, wir alle haben die Pflicht zur Solidarität gegenüber Kindern, Müttern und Familien.
Noch immer werden die Leistungen der Familien in unserer Gesellschaft zu wenig anerkannt und unterstützt. Den Familienlastenausgleich werden wir deshalb noch gerechter gestalten - durch eine Erhöhung des Kindergeldes, der Kinderfreibeträge beziehungsweise des Kindergeldzuschlags. Soziales Wohnen wird weiterhin durch das Wohngeld gesichert.
Für junge Familien sind das neue Erziehungsgeld und der Erziehungsurlaub eine willkommene Hilfe. Wir werden sie erweitern und dabei auch den besonderen Belangen der Alleinerziehenden Rechnung tragen. Alleinerziehende Mütter und Väter verdienen in ihrer oft schwierigen Lage die Hilfe des Staates. Wir werden deshalb auch den Haushaltsfreibetrag anheben und weitere Erleichterungen prüfen.
Wir wollen die Neuordnung des Jugendwohlfahrtsgesetzes in Angriff nehmen, um neuen Entwicklungen in der Jugendhilfe zu entsprechen.
Wir werden uns weiter einsetzen für Gleichberechtigung der Frauen auf allen Gebieten. Mit im Vordergrund stehen gerechte Beschäftigungs- und Aufstiegschancen für Frauen. Dafür müssen wir den vielfältigen Lebensentwürfen von Frauen und ihren besonderen Anliegen in verschiedenen Lebensphasen Rechnung tragen und ihnen günstigere Chancen geben, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren.
Wir brauchen die berufstätige Frau, und wir brauchen genauso die Leistung jener Frauen, die sich ganz dem Haushalt, der Kindererziehung sowie der Pflege behinderter oder kranker Familienangehöriger widmen. Wer als Mutter aus dem Erwerbsleben ausscheidet, muß die Chance erhalten, wieder in den Beruf zurückzukehren. Dazu werden wir die notwendigen Förderungsprogramme vorlegen.
Mehr Aufgeschlossenheit erwarten auch unsere älteren Mitbürger, deren Anteil an der Bevölkerung ständig zunimmt. Sie wollen und sie dürfen nicht ins Abseits abgeschoben werden.
Eine Gesellschaft verarmt, wenn sie den Sinn für die Würde des Alters verliert. Weisheit und Lebenserfahrung der Älteren sind ein hohes Gut, das wir nutzen sollten. Ohne die Bereitschaft zum Ausgleich und Miteinander der Generationen werden wir alle in unserer Gesellschaft kein wirkliches Zuhause finden.
2. Heimat soll erfahrbar sein, und gerade der ländliche Raum muß Zukunft haben.
In modernen Massengesellschaften - das erleben wir auch in der Bundesrepublik Deutschland - ist die Gefahr groß, daß der einzelne vereinsamt. Im Wiederaufleben der Heimatkulturen äußern sich das Bedürfnis nach Überschaubarkeit und Vertrautheit. Das Wort ‚Heimat' ist glücklicherweise für viele zum Synonym für dieses Bedürfnis geworden.
Kulturpflege und Heimatliebe tragen ganz wesentlich dazu bei, daß unser Land bei allem technischen Fortschritt sein menschliches Gesicht bewahrt. Ich danke allen, die ihre Freizeit der ehrenamtlichen Vereinsarbeit opfern: in vielen Heimatvereinen, in Musik- und Gesangvereinen. Fast 20 Millionen Bürger sind Mitglieder in unseren Sportvereinen. Wir wollen mit den unabhängigen Sportverbänden partnerschaftlich zusammenarbeiten und gerade auch den Spitzensport mit seiner wichtigen Vorbildfunktion für die junge Generation fördern.
Wir wollen das ehrenamtliche Engagement stärken. Deshalb werden wir bestehende Diskriminierungen ehrenamtlich Tätiger auf der Grundlage der Ergebnisse der beim Bundesfinanzminister eingerichteten Sachverständigenkommission zum Gemeinnützigkeitsrecht beseitigen.
Die Menschen sollen sich in ihrer örtlichen Gemeinschaft wohlfühlen können. Deshalb bejahen wir die kommunale Selbstverwaltung, die auf Eigenverantwortung und Bürgersinn baut. Sie ist eine entscheidende Grundlage staatlichen Lebens, und sie wird aus gutem Grund von unserem Grundgesetz garantiert.
Wir danken allen, die sich in Städten und Gemeinden für das Gemeinwohl einsetzen, und wir suchen enge Verbindung und das Gespräch auch mit den Repräsentanten der kommunalen Spitzenverbände. Weil es hier um die unmittelbare Lebensumwelt der Menschen geht, wird die Bundesregierung weiterhin die Stadt- und Dorferneuerung sowie die allgemeine Raumordnung unterstützen. Geborgenheit wächst auch durch das reichhaltige und vielfältige kulturelle Leben in unseren Städten und Gemeinden.
Dabei sollten wir auch die Nachbarschaft zu den ausländischen Mitbürgern als eine große Bereicherung verstehen. Wir wissen, daß dem weiteren Zuzug Grenzen gesetzt sind, aber wir wollen die Integration jener fördern, die seit langem bei uns leben. Mit einer Novellierung des Ausländergesetzes werden wir mehr Rechtssicherheit schaffen.
Auch um die kulturelle Vielfalt unseres Landes zu erhalten, wollen wir die Wirtschaftskraft des ländlichen Raumes stärken, der über Jahrhunderte hinweg von bäuerlichen Traditionen geprägt wurde. Wir wollen dieses Erbe bewahren. Zur freiheitlichen Gesellschaft der Zukunft gehört selbstverständlich der bäuerliche Familienbetrieb.
Unsere Bäuerinnen und Bauern schauen mit Sorge in die Zukunft. Die deutsche Landwirtschaft ist in einer schwierigen Lage - wegen einer EG-weiten, ja weltweiten Agrarkrise. Die bisherige europäische Agrarpolitik ist nicht mehr imstande, die Einkommen unserer Bauern zu sichern.
Wir werden deshalb darauf bestehen, daß die europäische Agrarpolitik endlich wieder ihre Aufgaben zugunsten des gemeinsamen Leitbildes des bäuerlichen Familienbetriebs erfüllt. Wir bekennen uns ebenso selbstverständlich zu unserer nationalen Verpflichtung und Verantwortung für die deutsche Landwirtschaft.
Die Bundesregierung kämpft seit 1982 für eine gezielte Entlastung der EG-Agrarmärkte, damit wieder eine Preispolitik möglich wird, die zur Sicherung des Einkommens der Bauern maßgeblich beiträgt. Wir haben erste Erfolge erzielt. Eine EG-weite Mengenreduzierung auf den Agrarmärkten und die Erschließung neuer Absatzmöglichkeiten liegen im Interesse der Erzeuger und der Verbraucher. Das gleiche gilt auch für den Weinbau. In Abstimmung mit den Erzeugern müssen wir auch hierzulande eine qualitätsorientierte Mengenbegrenzung erreichen.
Wie keine andere Betriebsform erfüllt der bäuerliche Familienbetrieb im Voll-, Zu- und Nebenerwerb die Anforderungen unserer Gesellschaft. Deswegen müssen naturgemäße Anbaumethoden und eine flächenbezogene Tierhaltung in der Landwirtschaft EG-weit gefördert und geschützt werden.
Solange es keine gemeinsame Währungs- und Wirtschaftspolitik in der EG gibt, muß es einen Währungsausgleich für die Bauern geben. Er muß künftig eine Gleichbehandlung der deutschen Landwirtschaft mit der in anderen Mitgliedstaaten sicherstellen.
Wir werden wie in den letzten Jahren unseren nationalen Spielraum zur gezielten Verbesserung der Einkommen unserer Bauern und zur finanziellen und sozialen Absicherung des Strukturwandels ausschöpfen. Bei der Neuorientierung der Agrarsozialpolitik werden wir noch stärker die unterschiedlichen Einkommensverhältnisse in den Betrieben berücksichtigen.
Gemeinsam mit den Bundesländern werden wir die Gemeinschaftsaufgabe ‚Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes' überprüfen, um künftig stärker Maßnahmen zu fördern, die einkommensverbessernd und produktionssenkend wirken.
Die Landwirtschaft muß - bei allen technischen und chemischen Möglichkeiten - die Natur und Umwelt so weit wie möglich schonen. Die Bundesregierung drängt weiterhin mit Nachdruck auf EG-weite Bemühungen um eine Extensivierung der Landbewirtschaftung und Herausnahme von landwirtschaftlichen Flächen aus der Produktion. Wir wollen die Landwirtschaft in ihrer Vielfalt auch deshalb erhalten, weil sie ganz wesentlich und entscheidend dem Schutz der Natur dient.
3. Die Schöpfung bewahren heißt auch: die Umwelt schützen und für die Generation unserer Kinder und Enkel erhalten.
Uns allen ist der Schatz der Natur nur auf Zeit anvertraut. Wir sind verpflichtet, sorgsam mit ihm umzugehen, ihn zu schonen und zu pflegen. Das ist auch eine Staatsaufgabe. Deshalb wollen wir den Umweltschutz als Staatsziel in das Grundgesetz aufnehmen.
Zu unbedenklich wurden Güter wie reine Luft und sauberes Wasser in Anspruch genommen. Diese Güter müssen einen Preis haben, der ihrem Wert entspricht. Eine zukunftsorientierte Wirtschaft benötigt die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen. Deshalb sind Gefahren für die Umwelt immer auch eine Herausforderung für unsere Wirtschaftsordnung.
Die Bundesregierung prüft die Vielzahl von Anregungen, wie der Sozialen Marktwirtschaft ein ökologischer Ordnungsrahmen beigegeben werden kann. Durchgreifender Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen erfordert erstens aufmerksamer und gewissenhafte Pflege, zweitens umfassende und weitsichtige Vorsorge sowie drittens schnelle und wirksame Schadensbeseitigung und Wiedergutmachung.
In zunehmendem Maße beunruhigend sind globale Gefährdungen unserer Erdatmosphäre. So droht durch den sogenannten Treibhauseffekt eine gravierende Klimaveränderung. Hier gilt es die Forschung voranzutreiben, weltweit die Energieerzeugung durch fossile Brennstoffe zumindest nicht auszuweiten sowie der extensiven Rodung tropischer Regenwälder entgegenzuwirken.
In bedenklicher Weise wird auch die Ozonschicht angegriffen, die uns vor ultravioletten Strahlen schützt. Deshalb wird die Bundesregierung international auf einem Verbot von gefährlichen Treibgasen in Spraydosen bestehen und, wenn nötig, nationale Maßnahmen ergreifen.
Um unsere Umwelt zu bewahren, setzt die Bundesregierung ihre Politik einer konsequenten Luftreinhaltung fort. Wir werden die Luftschadstoffe in Ballungsgebieten weiter reduzieren - beispielsweise den Schwefelgehalt in Brennstoffen und dadurch auch zur Smogbekämpfung beitragen. Verbleites Normalbenzin wird bei uns auf der Grundlage einer EG-Richtlinie verboten. Die Schadstoffe von Diesel-Pkw werden reduziert.
Wir werden das Programm zur Rettung unserer Wälder weiterentwickeln. Denn unser Wald - das wissen wir alle hat eine unschätzbare Bedeutung für Wasserhaushalt, Klima, Gesundheit und Erholung und für die Unverwechselbarkeit der deutschen Kulturlandschaft.
Die Bundesregierung wird den Gewässerschutz weiter verbessern. Die tatsächlichen Einleitungen von Schadstoffen in Gewässer müssen durch eine Meldepflicht erfaßt werden.
Wir werden den Ländern eine entsprechende Vereinbarung vorschlagen. Außerdem müssen Pläne zur Reduzierung von Schadstoffeinleitungen ausgearbeitet werden. Für den Grundwasserschutz wie für den Schutz von Nord- und Ostsee wird die Bundesregierung ein umfassendes Konzept beschließen und vorlegen.
Durch die Novellierung des Chemikaliengesetzes werden wir die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, um gefährliche Stoffe leichter verbieten und Altstoffe besser erfassen zu können. Bei Abfällen wird neben der Vermeidung und Verringerung gefährlicher Stoffe ein weiterer Schwerpunkt die Altlastensanierung sein. Hier sind die Bundesländer zuständig, doch der Bund wird bei Forschungsvorhaben helfen.
Um umfassende und weitsichtige Vorsorge sicherzustellen, wird die Bundesregierung die Störfallverordnung novellieren und beim Umweltbundesamt eine zentrale Schadstoffdatei einrichten. Dem vorbeugenden Umweltschutz dienen wir auch mit der Weiterentwicklung umweltschonender Technologien.
Im Mittelpunkt unserer Forschungsanstrengungen stehen neben Klima und Boden - die Sicherheit technischer Systeme, die komplexen ökologischen Zusammenhänge sowie weiterhin die Waldschäden.
Eine obligatorische Umwelthaftpflichtversicherung stärkt das Verursacherprinzip und soll das wirtschaftliche Eigeninteresse am Umweltschutz mobilisieren. Sie wird die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung ergänzen, die wir über den Bereich des Gewässerschutzes hinaus ausdehnen wollen.
Die strengen Auflagen und gesetzlichen Regelungen, für die wir eintreten, müssen auch konsequent vollzogen und mit deutlich höheren Bußgeldern oder - wenn nötig - strafrechtlichen Mitteln durchgesetzt werden.
Umweltschutz erfordert das Zusammenwirken benachbarter Staaten und in zunehmendem Maße weltweite Kooperation. Dabei muß sich nach unserer Überzeugung vor allem die Europäische Gemeinschaft auch zu einer europäischen Umweltgemeinschaft entwickeln. Die Bundesregierung wird wie bisher ihre Pionierfunktion wahrnehmen. Ich möchte aber auch an jeden einzelnen Bürger unseres Landes appellieren: Umweltschutz fängt zu Hause an, und verantwortete Freiheit beginnt auch immer bei den persönlichen Gewohnheiten.
4. Wir setzen auf mehr Freiheit, damit die Chancen wachsen für sinnerfülltes Tun, auch in der Mitverantwortung für den Nächsten.
Unser Staat soll auf die Solidarität der Bürger bauen, er soll ihrem Ideenreichtum und ihrer Entscheidungskraft vertrauen. Wir wollen eine Gesellschaft selbständiger Bürger.
Daraus ergeben sich drei wichtige politische Folgerungen:
- Wir müssen das Prinzip der Subsidiarität stärker durchsetzen, denn zur Selbständigkeit gehören notwendig Entscheidungsfreiheit und Mitverantwortung.
- Wir müssen mehr Transparenz staatlicher Entscheidungen und Abläufe schaffen denn der Bürger hat ein Recht auf Einblick und Überblick.
- Wir müssen mehr Flexibilität in unsere Gesellschaft einbringen, denn ohne Wahlmöglichkeiten und Entfaltungsspielraum kann Selbständigkeit nicht gedeihen.
Ein reißfestes soziales Netz des Staates bleibt unverzichtbar für die soziale Sicherheit; nicht weniger wichtig jedoch ist die mitmenschliche Solidarität. Deshalb sehen wir in der Hilfe zur Selbsthilfe die zentrale Aufgabe für den Staat.
Millionen Mitbürger sind bei uns ehrenamtlich tätig. Ihnen allen gebührt unser Dank. Ohne ihren Einsatz wäre das Land ärmer und kälter.
Die Bundesregierung wird die ehrenamtlichen sozialen Dienste in verstärktem Maße anregen, unterstützen und fördern. Wir wollen in der Bundesrepublik Deutschland ein neues soziales Klima, eine Kultur der Nachbarschaft, einen neuen Geist freiheitlichen und sozialen Bürgersinns entfalten - gemeinsam mit allen in den Bundesländern, in den Städten, in den Kreisen und Gemeinden.
Föderalismus - das ist unsere Erfahrung - sichert Bürgernähe, regionale Vielfalt und Kontrolle der Macht. Im Interesse des Gesamtstaates müssen Bund und Länder Rücksicht aufeinander nehmen. Die Bundesregierung wird auch in Zukunft die Eigenständigkeit der Länder sorgfältig beachten und dafür auch in der Europäischen Gemeinschaft Sorge tragen. Das gilt insbesondere auf dem Felde der Regionalpolitik.
Auch die Länder bleiben auf das wohlverstandene Gesamtinteresse des Bundesstaates verpflichtet. Das gilt beispielsweise - ich sage dies aus aktuellem Anlaß - nicht zuletzt für die Schul- und Bildungspolitik. Nur im konstruktiven Zusammenwirken können Bund und Länder ihrer Verantwortung gerecht werden.
Selbständigkeit und Bürgerfreiheit erfordern auch, den Staat auf seine eigentlichen Aufgaben zurückzuführen, zugleich freilich dafür zu sorgen, daß er diese auch zuverlässig erfüllen kann. Voraussetzung dafür ist ein leistungsfähiger öffentlicher Dienst. Er muß wettbewerbsfähig sein, das heißt auch attraktiv für qualifizierten Nachwuchs.
Wir bekennen uns nachdrücklich zum Berufsbeamtentum. Beamte und Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes werden auch in Zukunft bei der Einkommensentwicklung gleichbehandelt.
Als Grundlage für seine politischen Entscheidungen braucht jeder Staat, auch der unsere, exakte Angaben. Deshalb werden wir am 25. Mai nach 17 Jahren wieder eine Volkszählung durchführen. Das Gesetz dazu ist von der überwältigenden Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages und in der zweiten Kammer von allen Bundesländern beschlossen worden. Im Einklang mit einer grundlegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beachtet es alle Grundsätze des Persönlichkeitsrechts und des Datenschutzes. Wer in dieser Situation zum Boykott auffordert, mißachtet nicht nur die Entscheidungen der Verfassungsorgane, sondern wirbt offen für Rechtsbruch. Wer offen für Rechtsbruch wirbt, hat sich auf den Weg gemacht, den freiheitlichen Rechtsstaat zu zerstören. Wir wollen einen starken Rechtsstaat, denn das Recht schützt den Schwachen.
Recht heißt nicht Verrechtlichung. Die Bundesregierung wird ihre Anstrengungen zur Vereinfachung des Rechts sowie von Verwaltungs- und Gerichtsverfahren konsequent fortsetzen. Eine unabhängige Expertenkommission wird konkrete Möglichkeiten zur weiteren Deregulierung aufzeigen. Es gibt noch viel zu viele Vorschriften, die den Bürger unnötig einengen. Das gilt, wie jeder weiß, überall im Alltagsleben. Deshalb streben wir auch einen wöchentlichen Dienstleistungsabend an, an dem Geschäfte und Behörden den Bürgern über die üblichen Schlußzeiten hinaus offenstehen.
Wer gesellschaftlichen Fortschritt im Zeichen von mehr Freiraum will, muß auch neue Strukturen und Formen bei den Medien bejahen. Es beeinträchtigt die Leistung der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten überhaupt nicht, wenn sie nun Konkurrenz bekommen haben. Sie sollten das als Chance begreifen. Die Bundesregierung begrüßt, daß sich die Bundesländer jetzt auf einen Medienstaatsvertrag verständigt haben.
Wir sagen ja zur Offenheit unserer Medienlandschaft für privatrechtliche Unternehmen. Dazu gehören eine leistungsfähige deutsche Film- und Fernsehproduktion. Medienvielfalt fördert immer auch Meinungsfreiheit.
Zu den entscheidenden Vorzügen unserer freiheitlichen Staats- und Gesellschaftsordnung gehören der Reichtum und die Vielfalt unseres kulturellen Lebens. Für breite Schichten sind Kunst und Kultur heute wichtige Inhalte persönlicher Lebensgestaltung. Dieses Anliegen wird mit wachsender Freizeit immer stärker empfunden. Wir sind Industriegesellschaft und Kulturgesellschaft zugleich. In einer Zeit, die die Besinnung auf humanere Lebensbedingungen, eine neue Verantwortung und ein waches Wertbewußtsein fordert und einschließt, kommt der Kultur eine tragende Rolle zu. Die Bundesregierung wird deshalb verstärkt im Rahmen ihrer Möglichkeiten Akzente beim Ausbau unseres Kulturstaates setzen.
Wir wollen die Verbreitung der deutschen Sprache, unserer Muttersprache, in der Welt auch künftig nachdrücklich fördern und den Austausch von Studenten und Wissenschaftlern weiter ausbauen.
Unsere auswärtige Kulturpolitik soll ein umfassendes, die demokratische Meinungsvielfalt widerspiegelndes Bild der Bundesrepublik Deutschland vermitteln. Sie soll der wirtschaftlichen, der sozialen und kulturellen Wirklichkeit entsprechen und die ganze deutsche Geschichte in allen ihren Höhen und Tiefen umfassen.
In einem föderalen Staat kann Kulturpolitik nur in konstruktiver Zusammenarbeit gedeihen. Die Vorbereitung einer Kulturstiftung der Länder, zu der auch der Bund einen namhaften Beitrag leistet, ist auf einem guten Weg.
Beim weiteren Ausbau unserer Bundeshauptstadt wird die Bundesregierung insbesondere die geistig-kulturellen Einrichtungen fördern. Die bestehenden vertraglichen Grundlagen mit der Stadt Bonn sollen durch eine Anschlußvereinbarung fortgeführt werden.
Es gilt, das Engagement der Bürger und der Wirtschaft für Wissenschaft, Kunst und Kultur zu ermutigen und auch die Arbeitsbedingungen für Künstler weiter zu verbessern. Die gesetzliche Voraussetzung für eine Stärkung der Substanzerhaltung der Stiftungen haben wir verabschiedet. Jetzt wollen wir größere Anreize für die Errichtung von Stiftungen schaffen.
Wir müssen den Freiraum für gemeinnütziges Handeln erweitern, damit Bürger sich an der Lösung von Problemen der Gemeinschaft durch die Errichtung von Stiftungen beteiligen. Stifter sind Partner bei der Bewältigung von Zukunftsaufgaben des Landes. Dem müssen auch die steuerlichen Voraussetzungen Rechnung tragen.
Wachsende Bedeutung gewinnen auch der Schutz und die Bewahrung unseres kulturellen Erbes. Es geht hier vor allem um die Verbesserung des Denkmalschutzes und um die Erhaltung des beweglichen Kulturgutes von nationalem Rang für die deutsche Offentlichkeit. Auch die reichen und wertvollen Zeugnisse ostdeutscher Kultur dürfen nicht in Vergessenheit geraten.
Das gemeinsame Erbe unserer Nation pflegen, die Anziehungskraft Berlins stärken und nach Freiheit für alle Deutschen streben - das ist Politik für Deutschland.
Uns leitet der Verfassungsauftrag, in einem vereinten Europa in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden. Wir halten fest an der Präambel unseres Grundgesetzes.
Die Einheit der Nation soll und muß sich zuerst in der Freiheit ihrer Menschen erfüllen. Diese Einheit gründet nicht zuletzt in der gemeinsamen Geschichte. Wir bekennen uns zur ganzen deutschen Geschichte mit ihren Höhen und ihren Tiefen. Für jedes Volk ist Geschichte Quelle der Selbstvergewisserung. Deshalb ist die Pflege von Kultur und Geschichte auch eine nationale Zukunftsaufgabe.
Die Bundesregierung trägt dem mit zwei wichtigen Museumsbauten Rechnung. In Bonn entsteht ein Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin ein Deutsches Historisches Museum.
Die deutsche Geschichte soll so dargestellt werden, daß sich die Bürger darin wiedererkennen - offen für kontroverse Deutungen und Diskussionen, offen für die Vielfalt geschichtlicher Betrachtungsmöglichkeiten. In einer freien Gesellschaft gibt es nach unserer Überzeugung kein geschlossenes und schon nicht ein amtlich verordnetes Geschichtsbild. Niemand - niemand! - hat das Recht, anderen seine Sicht und seine Deutung der Geschichte aufzudrängen.
Unsere alte Hauptstadt wird in diesem Jahr 750 Jahre alt. Bei den Geburtstagsfeiern soll und muß die Einheit der Stadt zum Ausdruck kommen. Diese Feiern sollten die Teilung nicht vertiefen. Dieser Geburtstag steht für die gemeinsame Geschichte und für die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft der ganzen Stadt. Zu unserer Freude werden auch Königin Elizabeth, Präsident Reagan und Präsident Mitterrand aus diesem Anlaß Berlin besuchen. Wir heißen sie herzlich willkommen.
Die Sicherheit und Lebensfähigkeit des freien Berlin beruht auf der Präsenz der Drei Schutzmächte und den im Vier-Mächte-Abkommen bekräftigten Bindungen an die Bundesrepublik Deutschland. Die enge Verflechtung mit den politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Strukturen der Bundesrepublik Deutschland ist wesentlich für die Entwicklung der Stadt. Die Rechte und die Verantwortlichkeiten der Drei Mächte müssen gewahrt, die Bindung an den Bund muß erhalten und intensiviert werden.
Dazu gehören die Förderung der wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Attraktivität der Stadt und eine gute verkehrstechnische Anbindung an den europäischen Raum. Berlin muß ein lebendiger Faktor in der Entwicklung unseres Landes bleiben. Berlin muß deshalb auch in unsere Zusammenarbeit mit anderen Staaten voll einbezogen werden. Insbesondere die Beziehungen zur DDR können nicht um Berlin herum entwickelt werden.
Meine Damen und Herren, wir halten fest an der Einheit unserer Nation. Auch vier Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ist die deutsche Frage rechtlich, politisch und geschichtlich offen. Die deutsche Nation besteht fort, getragen durch das Bewußtsein der Deutschen in West und Ost. Sie schöpft ihre Kraft aus der gemeinsamen Geschichte, der gemeinsamen Kultur und aus der gemeinsamen Verantwortung der Deutschen für die Zukunft. Wir werden alles tun, das Bewußtsein für die Einheit der Nation lebendig zu halten, das Gemeinsame zu bewahren, das die Menschen in beiden Teilen Deutschlands verbindet.
Unser Ziel bleibt: Freiheit und Einheit für alle Deutschen. Alle rechtlichen und politischen Grundlagen, die ich in meiner Regierungserklärung vom 4. Mai 1983 und in den folgenden Berichten zur Lage der Nation im geteilten Deutschland genannt habe, sind auch in Zukunft selbstverständlich bindend.
Die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, die wir heute in Europa erleben, gehen nicht an Deutschland vorbei. Das Interesse an der Überwindung der Teilung unseres Kontinents wächst. Auf beiden Seiten wollen gerade junge Menschen frei miteinander umgehen können.
Zugleich müssen wir uns aber bewußt bleiben, daß das deutsche Schicksal eingebunden ist in das gesamte Ost-West-Verhältnis. Der Wunsch, die Teilung Europas zu überwinden, entspricht dem Willen der Deutschen, Einheit in Freiheit zu vollenden.
Manche meinen, unser nationales Problem könne unabhängig vom West-Ost-Konflikt gelöst werden. Solchen Illusionen - ob von rechts oder links - müssen wir entschieden entgegentreten. Es gibt keinen deutschen Sonderweg! Die Deutschen werden nur zusammenkommen können, wenn der Ost-West-Gegensatz in einer dauerhaften, übergreifenden europäischen Friedensordnung aufgehoben wird, in der die Menschenrechte tatsächlich verwirklicht sind, wie sie in der KSZE-Schlußakte vereinbart wurden. Bis die Teilung überwunden werden kann, ist es unsere Pflicht zu versuchen, Schritt für Schritt Erleichterungen für die Menschen zu erreichen.
Zur Obhut sind wir auch gegenüber den Deutschen verpflichtet, die heute noch in den Ländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas leben. Wir setzen uns mit Nachdruck für ihre elementaren Anliegen und Rechte ein, einschließlich des Rechts, ihre kulturelle und sprachliche Identität zu wahren. Unsere Bemühungen um ungehinderte Ausreise und unsere Hilfe für die Landsleute, die zu uns in die Bundesrepublik kommen wollen und können, werden wir fortsetzen.
In Solidarität stehen wir weiterhin zu jenen Deutschen, die ihre Heimat durch Vertreibung oder Flucht verloren. Ihre große, unvergängliche Leistung beim Aufbau unserer Republik war ein Werk des Friedens. Dies gilt insbesondere auch für ihren Verzicht auf Gewalt, zu dem sie sich bereits 1950 in der ‚Stuttgarter Charta' bekannten.
Die Achtung der Menschenrechte für alle Deutschen, der Verzicht auf Gewaltanwendung an den Grenzen und die Entwicklung der Kontakte zwischen den Menschen sind zentrale Anliegen unserer Politik.
Entsprechend der gemeinsamen Erklärung vom 12. März 1985 zwischen Generalsekretär Honecker und mir und auf der Basis des Grundlagenvertrages wollen wir alle Anstrengungen unternehmen, die Beziehungen zwischen den beiden Staaten in Deutschland in einem guten, offenen Klima weiterzuentwickeln. Dafür ist der politische Dialog auf allen Ebenen von großer Bedeutung.
Die bestehenden Gegensätze in Grundfragen können, sollen und dürfen dabei nicht verschleiert werden. Wir werden uns niemals mit Mauer und Schießbefehl und Stacheldraht abfinden!
Wir werden uns nichts abhandeln lassen, was die Grundsätze unserer Verfassung berühren würde oder unser Ziel gefährdet, auf einen Zustand des Friedens in Europa hinzuwirken, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt. So werden wir unverändert am Fortbestand der einheitlichen deutschen Staatsangehörigkeit festhalten.
Uns geht es vor allem darum, die Kontakte zwischen den Menschen auf allen Ebenen und in allen Lebensbereichen zu verbessern. Von besonderer Bedeutung ist dabei die weitere Entwicklung des Reiseverkehrs in beiden Richtungen. Wir haben mit Befriedigung festgestellt, daß Reisen aus der DDR jetzt häufiger und großzügiger genehmigt werden und daß dadurch auch sehr viel mehr jüngere Landsleute aus der DDR in den Westen reisen konnten. Wir sehen darin einen wichtigen und bedeutsamen Fortschritt. Es gibt aber auch, wie wir wissen, immer noch erhebliche Beschränkungen des Reiseverkehrs, die abgebaut werden müssen.
Die bestehenden Vereinbarungen mit der DDR sollten genutzt und, wo immer möglich mit Leben erfüllt werden. Das gilt besonders für das im letzten Jahr geschlossene Kulturabkommen. Wir sind bereit, die Zusammenarbeit in Wissenschaft und Technik zu entwickeln. Aber auch neue Möglichkeiten der Begegnung wie Städtepartnerschaften und die Weiterentwicklung des Jugendaustauschs sind hier zu nennen. Bei Städtepartnerschaften und Jugendaustausch denken wir natürlich vor allem an die Begegnung nicht nur von Offiziellen, sondern auch der Menschen, die ganz unmittelbar betroffen sind.
Zunehmend wichtig wird die Zusammenarbeit auf dem Felde des Umweltschutzes. Maßnahmen gegen die Gewässer- und Luftverunreinigung sind Aufgaben, denen sich auch die DDR nicht entziehen darf. Hier müssen Fortschritte und in einzelnen Fragen konkrete Ergebnisse erreicht werden.
Durch verstärkte Zusammenarbeit im Umwelt- und Energiebereich kann auch der innerdeutsche Handel zusätzliche Impulse erhalten. Der Handel bleibt ein wichtiges, stabilisierendes Element der Beziehungen. Hier wie auch auf anderen Gebieten liegen in Zukunft Chancen für beide Seiten, die wir nutzen wollen.
Alle diese Schritte müssen dem Ziel dienen, daß sich möglichst bald und möglichst oft die Menschen überall in Deutschland frei bewegen können.
Unsere Außenpolitik dient dem Frieden.
Aus unserer Geschichte haben wir gelernt: Deutsche Außenpolitik darf nicht wertfrei sein. Deshalb sind Achtung und Schutz der Menschenwürde, die Herrschaft des Rechts und der Menschenrechte unsere Richtschnur. Diese Wertorientierung bestimmt unsere Außenpolitik. Deutsche Außenpolitik muß guter Nachbarschaft dienen.
Mit dieser Klarheit und Beständigkeit nach allen Seiten setzt die Bundesregierung in der Kontinuität seit Konrad Adenauer ihre erfolgreiche Politik der Friedenssicherung und des Ausgleichs fort. Unsere Außenpolitik wird auch in den kommenden Jahren aktiv und weltweit Friedenspolitik sein.
Wir brauchen bei unseren Bürgern ein stärkeres Bewußtsein für die gewachsene Rolle und Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland in der internationalen Politik. Wir müssen mit ihnen auch Ziel und Wege unserer Sicherheitspolitik noch stärker diskutieren und so ihr Verständnis für die Notwendigkeit der Verteidigung steigern. Das Gewicht unseres Landes ist viel zu gering, um die Welt allein verändern zu können. Es ist aber auch zu groß, als daß wir Wanderer zwischen den Welten sein könnten.
1. Die Atlantische Allianz ist der Garant unserer Freiheit und Sicherheit.
Auch für die Zukunft werden deshalb die Stärkung des Bündnisses, seine Einheit und Geschlossenheit höchste Priorität genießen. Das Bündnis gewährleistet angesichts der fortbestehenden militärischen Bedrohung durch den Warschauer Pakt weiterhin die Sicherheit Westeuropas und die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland.
Wir bekennen uns zum politischen Konzept des Bündnisses, wie es im Harmel-Bericht von 1967 niedergelegt ist. Auf der Basis gesicherter Verteidigungsfähigkeit werden wir weiterhin Dialog und Zusammenarbeit mit den Staaten des Warschauer Pakts anstreben. Militärische Sicherheit und realistische Entspannungspolitik widersprechen sich nicht, sondern bedingen und ergänzen sich gegenseitig.
In den vor uns liegenden Jahren werden wir uns neuen Herausforderungen für unsere nationale Sicherheitspolitik wie für die Allianz stellen müssen. Das strategische Verhältnis der Großmächte zueinander kann sich durch tiefgreifende Abrüstungsschritte und durch verstärkte Hinwendung zu defensiven Systemen verändern. Das heißt, wir werden uns wichtigen Aufgaben auf diesem Felde auch in dieser Legislaturperiode zu stellen haben.
Wir müssen die Verteidigungsfähigkeit im Bündnis sichern. Zur Bündnisstrategie der Flexiblen Reaktion gibt es in absehbarer Zeit keine Alternative. Für ihre Wirksamkeit bedarf es weiterhin ausgewogener konventioneller und nuklearer Streitkräfte, und diese Strategie gewährleistet die Kopplung der Sicherheit Europas mit der der Vereinigten Staaten von Amerika.
Abschreckung und Verteidigung in Europa erfordern auch in Zukunft die Präsenz starker amerikanischer Truppen sowie der übrigen Stationierungsstreitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland. Vorneverteidigung bleibt Kernelement unserer Bündnisverpflichtung. Wir müssen die Bündnisstrategie weiterentwickeln, und dies gilt insbesondere bei drastischen Abrüstungsmaßnahmen, aber auch bei anderen Entwicklungen wie neuen Formen der Bedrohung, neuen Waffensystemen oder bei Änderungen im Verhältnis von offensiven und defensiven, von nuklearen und konventionellen Waffen.
Wir müssen dementsprechend den hohen Einsatzwert der Bundeswehr sicherstellen. So wie die Bundesrepublik Deutschland das Bündnis für ihre Sicherheit braucht, so braucht auch das Bündnis die Bundeswehr als entscheidenden Faktor seiner konventionellen Verteidigungsfähigkeit.
Die Bundesregierung wird rechtzeitig sicherstellen, daß unsere Streitkräfte trotz sinkender Jahrgangsstärken den erforderlichen Friedensumfang und ihre Verteidigungsfähigkeit im Krisen- und Verteidigungsfall behalten. Der Ehrendienst des Soldaten muß - auch in der sozialen Ausgestaltung - attraktiv bleiben.
Wir werden dafür sorgen, daß unsere Streitkräfte auch in Zukunft ihrem Verteidigungsauftrag entsprechend ausgerüstet sind.
Wir danken unseren Soldaten für ihren Friedensdienst in der Bundeswehr. Auch den Zivildienstleistenden, die so vielen engagiert zur Seite stehen, haben wir zu danken. Die Reform des Zivildienstes und des Rechtes auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen hat die Erwartungen voll erfüllt.
Wir müssen den europäischen Pfeiler im Atlantischen Bündnis stärken. Die NATO braucht ein starkes und einiges Europa, das gemeinsam seine Sicherheitsinteressen klarer und auch nach außen sichtbar definiert und vertritt. Dies liegt im Interesse der Vereinigten Staaten, und es liegt in unserem Interesse, denn die Verteidigung des freien Europa ist immer auch die Verteidigung der Vereinigten Staaten.
Wir wollen die Westeuropäische Union als geeignetes Forum weiterentwickeln. Gemeinsam mit Frankreich, mit Großbritannien, Italien und den Benelux-Staaten werden wir alle unsere Anstrengungen energisch fortsetzen, die Westeuropäische Union wiederzubeleben.
Freundschaft und enge Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten von Amerika sind für die Bundesrepublik Deutschland von existentieller Bedeutung. Sie sind unverzichtbar für die Einheit des Bündnisses. Sie ermöglichen uns Einfluß und Mitgestaltung. Sie erhöhen die Chance, daß unsere deutschen und die europäischen Interessen Eingang: finden in alle Entscheidungen zu Politik und Strategie, zu Wirtschaft und Währung in der westlichen Gemeinschaft.
Grundlage dieser Freundschaft bleiben die gemeinsame Wertordnung und das gegenseitige Vertrauen, wie es gerade seit dem Oktober 1982 sichtbar erneuert wurde.
In diesem Jahr werden wir den 40. Jahrestag des Marshall-Plans begehen. Wir werden dieses Jubiläum zum Anlaß nehmen, unseren Dank für das damals Geleistete zu erneuern und zugleich neue Wege zu beschreiten, die Verbundenheit der Länder und Völker gerade auch bei der nachwachsenden Generation zu verankern.
Transatlantische Partnerschaft darf nicht nur von den Regierungen, sondern muß vor allem auch von den Völkern getragen werden. Es wird in den nächsten Jahren entscheidend darauf ankommen, unser Bild in den USA und über die USA bei uns zu verbessern und vor allem den Jugendaustausch zu verstärken.
2. Europa ist unsere politische Zukunft.
In einer Woche werden wir den 30. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge feiern. Europa ist unsere wirtschaftliche, kulturelle und politische Zukunft. Nur. durch immer engeren Zusammenschluß kann sich ein freies, demokratisches Europa für die Zukunft behaupten.
Die Einheitliche Europäische Akte hat das für alle verbindliche Ziel, die Europäische Union, festgeschrieben. Sie bleibt ein vorrangiges Ziel deutscher Außenpolitik.
Wir wollen ein vielgestaltiges Europa, in dem die gewachsenen, auch regionalen Strukturen ihren Platz haben. Zugleich muß dieses Europa durch immer engere Bande der Solidarität zusammengehalten werden. Die Menschen in den einzelnen Staaten der Gemeinschaft müssen ein gemeinsames politisches Bewußtsein entwickeln, nennen wir es ruhig europäischen Patriotismus.
Wir sind entschlossen, die deutsche Präsidentschaft im ersten Halbjahr 1988 zu einem Aktivposten für Europa zu machen. Die Europäische Politische Zusammenarbeit steht nunmehr auf fester vertraglicher Grundlage. In der ständigen Abstimmung zwischen den Mitgliedstaaten wächst europäische Außen- und Sicherheitspolitik heran.
Die Bundesregierung bekennt sich zum ‚Europa der Bürger'. Europa muß für den einzelnen konkret erfahrbar werden. Wir brauchen noch offenere Grenzen, mehr Schüler- und Wissenschaftleraustausch und vor allem auch die gegenseitige Anerkennung von Zeugnissen und Diplomen.
Die EG steht vor wichtigen Entscheidungen. Ihre Finanzen müssen mittelfristig auf eine Grundlage gestellt werden, die eine gerechtere Aufbringung der Mittel und Verteilung der Lasten sicherstellt und die Prioritäten so setzt, daß für zukunftsorientierte Projekte mehr Raum geschaffen wird. Die Bundesrepublik Deutschland ist bereit, ihren fairen Anteil dazu beizutragen.
Die Vollendung des Binnenmarktes gehört zu den wichtigen, festen Zielen der Gemeinschaft. Die Bundesregierung wird alles in dieser Legislaturperiode Mögliche tun, damit dieses Ziel bis 1992 erreicht wird. Der einheitliche Binnenmarkt mit über 320 Millionen Menschen stellt für die Wirtschaft der Gemeinschaft und damit auch für die Wirtschaft unseres Landes eine unverzichtbare Basis dar, um im weltweiten Wettbewerb bestehen zu können. Allerdings - und darüber muß sich jeder im klaren sein - verlangt der Binnenmarkt von den Volkswirtschaften und Unternehmungen aller Staaten, auch bei uns, erhebliche Anpassungen.
Ähnlich wie die Gründung der EWG vor 30 Jahren wird aber die Vollendung des Binnenmarkts bis 1992 neue Wachstumsimpulse freisetzen; Wachstumsimpulse, die allen zugute kommen, nicht zuletzt dem Verbraucher.
Wir wollen, daß Europa zu einer Technologiegemeinschaft zusammenwächst, um auch auf den Weltmärkten erfolgreich bestehen zu können.
Auf dem Weg zur Europäischen Union wollen wir fortfahren, das Europäische Parlament als die gewählte demokratische Vertretung der Bürger in seinen Befugnissen weiter zu stärken.
Die deutsch-französische Freundschaft war und bleibt die treibende Kraft im europäischen Einigungsprozeß. Ihre Intensität ist heute einmalig. Diese Partnerschaft umfaßt eine sehr weitgehende, gemeinsame Konzeption von europäischer Sicherheit, eine gemeinsame Vision von der Zukunft Europas und die Gesamtheit unserer politischen wirtschaftlichen, technologischen und kulturellen Aktivitäten.
Wir wollen diese privilegierte Partnerschaft weiterentwickeln. Zwischen Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland gibt es heute eine Identität der Auffassungen und Interessen, die es ermöglichen sollte, erste Schritte auch zu einer operativ gemeinsamen Außenpolitik zu tun. Das schließt auch die Möglichkeit eines engeren Zusammengehens in der Entwicklungspolitik ein.
Wir werden die begonnene militärische Zusammenarbeit fortentwickeln. Frankreich und Deutschland müssen zur politischen Kerngemeinschaft einer sich entwickelnden Europäischen Union werden.
Großbritannien ist zu einer wichtigen Kraft im europäischen Einigungsprozeß geworden. Es leistet unverzichtbare Beiträge zur Sicherheit des Westens und gerade auch unseres Landes. Wir schätzen diese Zusammenarbeit sehr hoch ein, und wir wollen sie, wo immer das möglich ist, weiter ausbauen.
Wir wollen das Verhältnis zu Italien und Spanien intensivieren. Wir würdigen die aktive Rolle der Benelux-Staaten. Mit ihnen sowie mit den anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft verbindet uns bewährte Freundschaft.
3. Wir wollen die Beziehungen zur Sowjetunion und den Staaten des Warschauer Paktes intensivieren.
Das West-Ost-Verhältnis ist in Bewegung geraten. Reykjavik hat gezeigt, daß beide Weltmächte interessiert sind, stabile Beziehungen herzustellen und konkrete Vereinbarungen abzuschließen. Damit können sich neue Perspektiven für das West-Ost-Verhältnis und für die Abrüstung und Rüstungskontrolle eröffnen.
Wir begrüßen das verabredete Treffen der Außenminister der USA und der Sowjetunion, und wir befürworten ein neues Gipfeltreffen zwischen dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika und dem Generalsekretär der KPdSU noch in diesem Jahr.
Seit dem Amtsantritt Generalsekretär Gorbatschows vor zwei Jahren hat die Sowjetunion große Erwartungen in Richtung auf wichtige Veränderungen im Inneren geweckt. Generalsekretär Gorbatschow spricht von ‚neuem Denken' in den internationalen Beziehungen. Wir nehmen ihn beim Wort: Wenn sein Kurs Chancen birgt zu mehr Verständigung, zu mehr Zusammenarbeit und vor allem zu konkreten Ergebnissen bei Abrüstung und Rüstungskontrolle, werden wir sie aufgreifen.
Wenn er den Weg für Kooperation zwischen allen west- und osteuropäischen Staaten weiter ebnet, dann sind wir entschlossen, dies umfassend zu nutzen - im Rahmen bilateraler Beziehungen wie im Rahmen des West-Ost-Dialogs insgesamt. Wir werden dabei weder die Realitäten aus den Augen verlieren noch Illusionen nachjagen, noch bestehende Gegensätze verwischen.
Die Bundesregierung bekräftigt ihre langfristig angelegte Politik, die Beziehungen zu allen Staaten Mittel-, Ost- und Südosteuropas in allen Bereichen und auf allen Ebenen zu entwickeln. Sie will diesen Staaten ein zuverlässiger, ein berechenbarer und auch ein vertrauensvoller Partner für Dialog und Zusammenarbeit sein.
Die Grundlage sind die geschlossenen und geltenden Verträge und die Schlußakte von Helsinki, nach deren Buchstaben und Geist wir unsere Politik gestalten wollen.
Wir werden dabei auch eingedenk unserer leidvollen Geschichte den Weg der Verständigung mit dem polnischen Volk fortsetzen. Insbesondere wollen wir die junge Generation beider Länder enger zusammenführen und damit den neuen Generationen eine friedliche Zukunft sichern.
Die Beziehungen zur Sowjetunion sind für uns von zentraler Bedeutung. Sie zu festigen und zu vertiefen entspricht den Interessen und Wünschen der Menschen in unseren beiden Staaten. Wir fördern damit die Verständigung zwischen West und Ost und stärken den Frieden in Europa.
Die deutsch-sowjetischen Beziehungen bieten auf allen Feldern noch erhebliche unausgeschöpfte Möglichkeiten:
- Wir wollen den politischen Dialog intensivieren;
- wir wollen Fortschritte auf humanitärem Gebiet;
- wir wollen die vorbereiteten Abkommen über wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit und Verkehr alsbald in Kraft setzen;
- wir wollen in Kürze ein Umweltabkommen erreichen, und
- wir wollen das deutsch-sowjetische Kulturabkommen durch Abschluß eines Zweijahresprogramms endlich mit Leben erfüllen.
Wir sind bereit, einer breit angelegten wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen West und Ost den Weg zu ebnen. Langfristige, gegenseitig vorteilhafte und ausgewogene Wirtschaftsbeziehungen bleiben für uns ein wichtiges Element in unseren Beziehungen zur Sowjetunion und zu den übrigen Staaten des Warschauer Pakts.
Wir bieten kontinuierliche, zukunftsorientierte Zusammenarbeit an, auch in neuen Formen der Kooperation. Sie sollen Thema einer West-Ost-Konferenz über wirtschaftliche Zusammenarbeit sein, die ich im vergangenen Jahr vorgeschlagen habe und die inzwischen als gemeinsamer Vorschlag der Europäischen Gemeinschaft im Wiener KSZE-Folgetreffen eingeführt wurde.
Die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa bleibt ein unerläßliches Instrument, den Frieden zu sichern, die Spaltung Europas zu überwinden, die Zusammenarbeit auf allen Gebieten zu fördern und die Menschen einander näherzubringen.
Beim Wiener KSZE-Folgetreffen strebt die Bundesregierung deshalb in Übereinstimmung mit unseren Partnern und Freunden ein substantielles und ausgewogenes Schlußdokument an. Wir wollen konkrete Fortschritte im Bereich der Sicherheit, in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, beim wissenschaftlich-technologischen Austausch, für den Schutz unserer Umwelt, zur Lösung humanitärer Fragen und vor allem Achtung der Menschenrechte in allen Teilnehmerstaaten.
Unser Kriterium für echte Fortschritte in den West-Ost-Beziehungen ist und bleibt die Lage der Menschen in unserem geteilten Volk und auf unserem Kontinent. Wir begrüßen erste Anzeichen einer Wende zum Besseren in der sowjetischen Menschenrechtspolitik, und wir hoffen, daß sich diese Anzeichen fortentwickeln. Wir bleiben bei unserer Forderung, daß alle politischen Gefangenen freigelassen werden, auch in allen Ländern des Warschauer Paktes. Und wir erwarten, daß die neue Ausreisegesetzgebung der Sowjetunion endlich das Leid seit langem getrennter Familien lindert; dabei denken wir nicht zuletzt an unsere deutschen Landsleute, die betroffen sind.
4. Wir streben intensiv nach Abrüstung und Rüstungskontrolle.
Gemeinsam mit unseren westlichen Verbündeten wollen wir den Prozeß der Abrüstung und Rüstungskontrolle in allen Verhandlungsforen dynamisch fortsetzen. Unser Ziel ist und bleibt, Sicherheit für alle Beteiligten auf einem möglichst niedrigen, ausgewogenen Streitkräfteniveau zu gewährleisten. Dies setzt aber voraus, daß die Sicherheit aller berücksichtigt wird.
Unser nachdrückliches und konsequentes Eintreten für Abrüstung und Rüstungskontrolle bleibt ein unverzichtbarer Bestandteil der Sicherheitspolitik der Bundesregierung.
Seit Reykjavik liegen auf den Verhandlungstischen die umfassendsten Vorschläge beider Seiten in der Geschichte der Rüstungskontrollverhandlungen. Wir hoffen, daß die USA und die Sowjetunion diese Chance nutzen und durch Kompromißbereitschaft zu Ergebnissen kommen.
Das Interesse der Verbündeten und der Bundesregierung richtet sich in besonderem Maße darauf, möglichst bald ein Abkommen mit dem Ziel abzuschließen, die sowjetischen und amerikanischen nuklearen Mittelstreckenflugkörper größerer Reichweite zu beseitigen.
Die Bundesregierung stimmt der in Reykjavik in Aussicht genommenen INF-Regelung zu: Null-Lösung in Europa bei gleichzeitiger weltweiter Verringerung dieser Systeme auf jeweils 100 Gefechtsköpfe. Ein solches Ergebnis entspräche der von den Bündnispartnern seit dem NATO-Doppelbeschluß 1979 nachdrücklich verfolgten Zielvorstellung.
Ein baldiger Abschluß eines INF-Abkommens wäre ein sichtbares Zeichen für den Ernst und die Glaubwürdigkeit der Rüstungskontrollbemühungen. Von ihm würde ein wichtiger Impuls auf die anderen Bereiche ausgehen.
Als Sorge bleibt die drückende sowjetische Überlegenheit bei den Mittelstreckenwaffen kürzerer Reichweite. Die Bundesregierung erwartet deshalb, daß sich die beiden Weltmächte konkret und verbindlich verpflichten, sofortige Folgeverhandlungen über die Mittelstreckensysteme kürzerer Reichweite aufzunehmen.
Ziel dieser Verhandlungen muß es sein, alle diese Systeme auf ein niedriges Niveau mit gleichen Obergrenzen zu reduzieren.
Reykjavik hat auch Aussichten auf drastische Reduzierungen im Bereich strategischer Offensivwaffen eröffnet. Beide Seiten bekennen sich zum Ziel einer 50prozentigen Reduzierung dieser Systeme innerhalb von fünf Jahren. Wir unterstützen dies nachdrücklich.
In Genf müssen beide Verhandlungspartner Anstrengungen unternehmen, für das Verhältnis von Offensiv- und Defensivwaffen eine die Sicherheitsinteressen beider Seiten berücksichtigende, kooperative Lösung zu finden. Dies gilt auch für die Anwendung des ABM-Vertrages.
Ich bin weiterhin der Auffassung, daß drastische Reduzierungen der Offensivwaffen Einfluß auf Notwendigkeit und Umfang von Defensivsystemen haben müssen.
Ein verläßlich verifizierbarer nuklearer Teststopp ist für die Bundesregierung ein wichtiges Ziel, das nach unserer Auffassung schrittweise verwirklicht werden kann.
Nukleare Abrüstung verschärft das Problem des konventionellen Ungleichgewichts in Europa. Wir müssen deshalb ohne Verzug und nachdrücklich verstärkte Anstrengungen unternehmen, um ein nachprüfbares, umfassendes und stabiles Gleichgewicht konventioneller Streitkräfte auf niedrigerem Niveau zu erreichen.
Die konventionelle Überlegenheit des Warschauer Paktes muß abgebaut werden, insbesondere auch seine Fähigkeit zum Überraschungsangriff und zu raumgreifender Offensive. Damit würden vor allem auch Stabilität und Sicherheit für ganz Europa gestärkt werden. Das Nordatlantische Bündnis hat daher auf deutsch-französischen Vorschlag hin die Initiative ergriffen, um dieses Ziel schrittweise zu erreichen. Demzufolge wurden in Wien Gespräche mit den Staaten des Warschauer Paktes über ein Mandat für eine Konferenz über konventionelle Rüstungskontrolle in ganz Europa aufgenommen.
Wir erhoffen zügige Fortschritte auch in den laufenden Verhandlungen über ein weltweites Verbot chemischer Waffen.
Zusammen mit unseren Partnern streben wir an, daß die Konferenz über Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen in Europa, die im September 1986 wichtige vertrauensbildende Maßnahmen erreichen konnte, fortgesetzt wird.
Die Bundesregierung würde es begrüßen, wenn in diesen Schlüsselfragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle ein breiter Konsens im Deutschen Bundestag erreichbar wäre.
5. Mit einem gerechten Interessenausgleich zwischen Nord und Süd wollen wir zum Frieden in der Völkergemeinschaft beitragen.
Unsere Beziehungen zu den neuen politischen Schwerpunkten der Dritten Welt müssen über Handelsaustausch und Entwicklungshilfe hinausgehen. Wir wünschen mit diesen Ländern einen umfassenden und stetigen politischen Dialog zwischen gleichberechtigten Partnern als ein wichtiges Element unserer Zusammenarbeit.
Ich möchte in diesem Zusammenhang den Beitrag von Entwicklungsländern zur internationalen Diskussion über die Sicherung des Weltfriedens ausdrücklich würdigen.
Wir unterstützen das Bestreben der Entwicklungsländer nach Unabhängigkeit, ihren Wunsch nach Selbstbestimmung und nach eigenständiger Gestaltung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung entsprechend ihrer eigenen kulturellen Tradition.
Echte Blockfreiheit und regionale Zusammenarbeit sind wichtige Elemente in den internationalen Beziehungen.
Die Welt von morgen wird nur dann in Frieden, Freiheit und Stabilität leben können, wenn es gelingt, Hunger und Not zu verringern, das Wohlstandsgefälle zwischen Nord und Süd abzubauen und - wo immer möglich - Menschenrechte durchzusetzen.
Wir gewähren weiterhin jenen Asyl, die aus politischen rassischen oder religiösen Gründen verfolgt werden. Wir können aber die wirtschaftlichen Probleme der Welt nicht durch Einwanderung in die Bundesrepublik Deutschland lösen. Für die Menschen in der Welt, die hungern und wirtschaftliche Not leiden, ist und bleibt die beste Hilfe die Hilfe vor Ort.
Nach der Neuorientierung der letzten Jahre haben wir unserer Hilfe jetzt folgende Schwerpunkte gegeben:
- Konzentration auf die Ärmsten,
- Sicherung der Ernährung aus eigener Kraft,
- mehr Spielraum für Selbsthilfe,
- stärkere Berücksichtigung der Rolle der Frau im Entwicklungsprozeß,
- Bildung und Ausbildung, losgelöst von unangebrachten westlichen Vorbildern,
- Schutz der Umwelt auch in der Dritten Welt und
- Hilfe für Maßnahmen zur Strukturanpassung.
Wir wollen Rückflüsse aus der Kapitalhilfe schrittweise wieder zur Finanzierung neuer Maßnahmen einsetzen. Ohne wirtschaftliche Dynamik und wachsende Produktivität werden jedoch Armut und wirtschaftliche Rückständigkeit in der Dritten Welt nicht zu überwinden sein. Wir vertrauen deshalb auch hier vor allem auf private Initiative und auf die Leistungsfähigkeit offener und freier Märkte.
Unsere staatliche Entwicklungspolitik muß gezielt struktur- und leistungsschwache Regionen fördern. Nur so können sich mehr eigenständige Produktivität und mehr unternehmerisches Handeln im Handwerk, im Kleingewerbe und in den kleinen und mittleren ländlichen Betrieben entwickeln.
Entwicklungshilfe ist nicht nur Aufgabe des Staates. Sie ist eine moralische Aufgabe und Pflicht der ganzen Gesellschaft. Ich danke allen für Spendenbereitschaft und persönliches Engagement bei der Bekämpfung von Hunger und Armut in der Dritten Welt.
Ich danke vor allem den Kirchen, die dazu beigetragen haben, eine hohe Sensibilität in unserem Lande für die Not in der Dritten Welt zu schaffen. Wir werden die Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Organisationen fortsetzen und, wo immer möglich, verstärken.
Der weitere Ausbau unserer freundschaftlichen Beziehungen zu den Staaten Asiens, Lateinamerikas, Afrikas, des Nahen und Mittleren Ostens und des südpazifischen Raumes hat für die Bundesregierung große Bedeutung. Einige dieser Staaten sind hochentwickelte Industrieländer. Die meisten von ihnen aber sind Entwicklungsländer, die von uns beim Aufbau ihrer Wirtschaft besondere Solidarität und Kooperationsbereitschaft erwarten.
Die stetig wachsende weltpolitische und weltwirtschaftliches Bedeutung Asiens ist uns sehr bewußt.
Japan ist im westlichen System außerhalb der Europäischen Gemeinschaft und der NATO schon heute unser wichtigster Partner. Dieser Entwicklung werden wir auch künftig Rechnung tragen.
Die Volksrepublik China ist für uns ein besonders wichtiger und vertrauenswürdiger Partner geworden. Trotz unterschiedlicher Gesellschaftssysteme unserer beiden Länder haben sich ein breiter Konsens in der Bewertung politischer Fragen und zahlreiche gemeinsame Interessen und Zielsetzungen ergeben. Es ist das Ziel der Bundesregierung, das schon jetzt bestehende Netz politischer, wirtschaftlicher und kultureller Zusammenarbeit mit der Volksrepublik China noch dichter zu knüpfen.
Mit den sechs ASEAN-Staaten hat sich auf deutsche Initiative hin eine enge Zusammenarbeit sowohl bilateral als auch im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft entwickelt. Wir wollen diese Zusammenarbeit weiter pflegen.
Mit Indien, der volkreichsten Demokratie der Erde, verbinden uns traditionell gute Beziehungen. Wir sind entschlossen, den wirtschaftlichen und kulturellen Austausch weiter auszubauen, den politischen Dialog zu vertiefen und vor allem die entwicklungspolitische Zusammenarbeit im Rahmen des Möglichen fortzuführen.
Ein weiteres Schwerpunktland unserer Zusammenarbeit bleibt Pakistan. Ausgehend von unseren freundschaftlichen Beziehungen zu beiden Ländern sehen wir mit Genugtuung die erfolgreichen gemeinsamen Bemühungen, historische Belastungen abzubauen.
Ich habe an dieser Stelle schon vor vier Jahren den Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan und der vietnamesischen Truppen aus Kambodscha gefordert. Nach wie vor wird beiden Völkern das Selbstbestimmungsrecht verweigert. Wir appellieren an die Sowjetunion, ihren Ankündigungen für eine politische Lösung Taten folgen zu lassen. Die Leiden dieser Völker müssen endlich ein Ende haben.
Mit den Ländern Lateinamerikas verbinden uns traditionell gute und enge Beziehungen. Seit Übernahme der Regierungsverantwortung haben wir diesen Beziehungen neue Impulse gegeben und damit der wachsenden Bedeutung dieses Subkontinents für uns und für unsere europäischen Partner Rechnung getragen. Diesem Ziel dient auch die gegenwärtige Reise des Herrn Bundespräsidenten. Wir werden diese Beziehungen - insbesondere zu den Schlüsselländern der Region: Argentinien, Brasilien und Mexiko - auf allen Gebieten vertiefen.
Wir werden alle geeigneten Initiativen für eine friedliche Lösung der Krise in Zentralamerika unterstützen. Gewalt und soziale Ungerechtigkeit müssen überwunden werden.
Afrika bleibt ein wichtiges Feld unserer Außen- und Entwicklungspolitik. Die Staaten Afrikas brauchen Frieden. Sie bedürfen unserer Unterstützung, um ihre Aufgaben für die Zukunft aus eigener Verantwortung zu lösen.
Gemeinsam mit unseren europäischen Partnern und unseren westlichen Verbündeten werden wir auch künftig dafür eintreten, daß in Südafrika Apartheid und Rassendiskriminierung mit friedlichen Mitteln überwunden und die Menschenrechte allen Bürgern dieses Landes in gleicher Weise gewährt werden.
Südafrika bedarf einer politischen und gesellschaftlichen Ordnung die es auch der schwarzen und farbigen Bevölkerungsmehrheit ermöglicht, die politischen Geschicke des Landes mitzubestimmen. Die Bundesregierung appelliert an alle Beteiligten, den friedlichen Weg des Dialogs zu gehen. Wir werden diesen Dialog nach Kräften fördern. Unsere Maßnahmen zugunsten der von der Apartheid betroffenen Bevölkerung werden wir verstärken und die Mittel dafür erhöhen.
Mit den Staaten des Nahen und Mittleren Ostens verbindet uns vielfältige politische, wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit. Um so größer ist die Sorge, daß Kriege und Konflikte, Terror und Gewalt in dieser Region nicht enden wollen.
Grundlage unserer Politik ist die Achtung der berechtigten Interessen aller Völker und Staaten in dieser Region. Unverändert wird sich unsere Politik am Existenzrecht Israels in sicheren Grenzen, am Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes und am beiderseitigen Gewaltverzicht orientieren.
Den Lebens-, Freiheits- und Sicherheitsinteressen Israels gelten weiter unser Interesse und unsere Sorge. Wir begrüßen herzlich den bevorstehenden Besuch des israelischen Staatspräsidenten in der Bundesrepublik Deutschland als ein bedeutsames historisches Ereignis.
Unsere traditionell freundschaftlichen Beziehungen mit den arabischen Ländern wollen wir weiterentwickeln.
Bei der immer dringlicher werdenden Suche nach friedlichen Konfliktlösungen arbeiten wir mit unseren Partnern in Europa und den Vereinigten Staaten eng zusammen. Am 23. Februar dieses Jahres haben sich die EG-Außenminister mit ihrer gemeinsamen Erklärung für eine internationale Nahost-Friedenskonferenz ausgesprochen und sich bereit erklärt, dabei eine hilfreiche Rolle zu übernehmen.
Angesichts zahlreicher Krisen und Konflikte in nahezu allen Regionen der Welt sind die Vereinten Nationen das unentbehrliche zentrale Forum weltweiter Verständigung und Zusammenarbeit. Wir werden unserer politischen Verantwortung im Sicherheitsrat gerecht werden. Wir würdigen auch die Arbeit der UN-Sonderorganisationen. Gemeinsam mit ihren Partnern wird die Bundesregierung weiterhin nach Kräften dazu beitragen, die UNESCO zu reformieren und ihre Universalität wiederherzustellen.
Die der deutschen Außenpolitik gestellten Aufgaben erhöhen die Anforderungen an unsere Mitarbeiter im auswärtigen Dienst. Die Bundesregierung würdigt, daß sie oft unter schwierigen äußeren Bedingungen und großen persönlichen Gefahren ihre Pflicht erfüllen. Der Mord an Gerold von Braunmühl hat dies uns allen erneut drastisch vor Augen geführt.
Die Bundesregierung bekennt sich in ihrer Außenpolitik immer wieder - wie es im Artikel 1 unseres Grundgesetzes heißt - ‚zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt'. Gerade für unsere jungen Mitbürger wollen wir ein Leben in Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit. Wir wollen ihnen die Aussicht auf eine Welt eröffnen, in der es sich zu leben und zu wirken lohnt.
Unser Regierungsprogramm ist getragen von der Verantwortung für die Generationen, die nach uns kommen. Doch die junge Generation muß dabei mitmachen. Sie muß ihre eigene Verantwortung erkennen. So wie wir die Weisheit und Erfahrung der Älteren brauchen, so brauchen wir den Idealismus, den Mut und die Tatkraft der jungen Generation.
Wir brauchen auch ihr Vertrauen - das Vertrauen in unsere Demokratie und in die Werte, die sie tragen. Demokratie ist eine anspruchsvolle Ordnung. Ihre Lebenskraft und ihre Zukunft hängen von Anerkennung und von Zustimmung der nachwachsenden Generation ab.
Viele junge Menschen wollen wissen, in welche Zukunft der Weg führt und welchen persönlichen Beitrag sie leisten können. Wir können ihnen mit gutem Gewissen sagen: Ihr habt guten Grund zur Zuversicht:
- Kaum eine Generation zuvor konnte so berechtigt die Hoffnung auf ein ganzes Leben in Frieden und Freiheit haben. Die bittere Erfahrung von Krieg und Gewaltherrschaft darf sich nicht wiederholen - das ist die Lehre der Geschichte unseres Jahrhunderts.
- Jungen Menschen bieten sich - bei allen Problemen und Fragen - vielfältige Lebenschancen. Mit Lernfreude, mit Fleiß, mit Phantasie und mit Mittun können sie weit vorankommen, wenn sie neben den Rechten auch die Pflichten akzeptieren.
- Wir leben in einem Land der freien Welt - mit sehr viel Freiraum für sinnerfülltes Handeln. Mit persönlichen und privaten Initiativen, mit Mitmenschlichkeit und Dienst am Nächsten läßt sich viel Gutes tun - hier, bei uns zu Hause in der Bundesrepublik Deutschland, und draußen in der Welt in der Hilfe für Unterdrückte und Notleidende.
Mit der jungen Generation - und für sie - wollen wir die Zukunft gewinnen. Ich bitte alle unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger um ihre Mithilfe. Mit Tatkraft, mit Mut und mit Zuversicht wollen wir Deutschland, unserem Vaterland, dienen.“
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