Psychologie politischer Reden und Kommunikation

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Politische Psychologie: Denkorientierungen und Denkmuster von Führenden in der Politik

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CMC Forschungsprojekt WORTSTROM

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Artikel

 

 

Persönlichkeit in der Politik. Psychologische Grundlagen und inhaltsanalytische Messung im Rahmen des Forschungsprojekts WORTSTROM.

 

Dr. Peter Niebisch

 

 

Einführung

 

Persönlichkeit und Politik ist ein Dauerthema in der politischen Psychologie. Schon seit Jahren wird auf der Grundlage von (Fremd-) Einschätzungen und Inhaltsanalysen (vor allem politischer Texte, insbesondere Reden) versucht, die Persönlichkeit von führenden Politikern zu beschreiben. Der Faktor Persönlichkeit wird dabei als eine Größe betrachtet, die - neben den aktuellen situativen Herausforderungen - politische Entscheidungen und Handlungen mitbestimmt und damit auch erklärbar macht.

 

Je nach theoretischer Orientierung der Forscher wird dieser psychologischen Komponente unterschiedliches Gewicht zugemessen: Die Palette reicht von „weniger relevant“ (im Verhältnis zu den politischen Herausforderungen, Kontexten und Systemkonstellationen) bis zu „entscheidend“ für die Erklärung und Prognose politischen Verhaltens - wobei sich hier nach unserer Einschätzung häufiger „reine“ Politikwissenschaftler und politische Psychologen gegenüber zu stehen scheinen.

 

In der Tat mehren sich allerdings die Hinweise darauf, dass dem Faktor Persönlichkeit eine bedeutendere Rolle im politischen Alltag und Geschäft zugemessen werden muss. Aus der Vielzahl der empirischen Arbeiten hier einige Beispiele und Meilensteine:

 

Schon 1954 machte Eysenck in seiner Veröffentlichung „The Psychology of Politics“ (1963, Erstveröfftl. 1954) vielfältige Zusammenhänge zwischen politischer Weltanschauung, politischen Präferenzen und Persönlichkeitsmerkmalen deutlich. Diese frühe, grundlegende Arbeit wurde von verschiedenen Forschern in neuerer Zeit (indirekt) wieder aufgegriffen und verfeinert (u.a. Pötzschke, Rattinger & Schoen, 2012; Schumann, 2001), wobei auch diese Arbeiten relativ enge Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitsmerkmalen, Wertorientierungen und Haltungen (Denkorientierungen) zu verschiedenen politischen Fragen bestätigen.

 

Offensichtlich scheinen in allen diesen Studien vor allem die Persönlichkeitsfaktoren „Openess“ (für neue Erfahrungen und Veränderungen) und „Autoritarismus“ (Autoritäre Persönlichkeit: Adorno, Frenkel-Brunswik, Levinson & Nevitt, 1950; Dogmatismus: Rokeach, 1960), eine zentrale Rolle zu spielen. Angesichts der frühen Studien überrascht dieses Ergebnis nicht (mehr) - und außerdem ist aus unserer Sicht davon auzugehen, dass „Openess“ und „Autoritarismus“, „Dogmatismus“, etc. recht verwandte Persönlichkeitskonzepte sind, die zwar unterschiedlich benannt sind, aber im Kern dasselbe meinen.

 

Seit Jahren untersuchen Motivationsforscher die Ausprägung bestimmter Motivmuster (Macht-, Leistungs-, und Bindungsmotiv) bei Spitzenpolitikern in ihren politischen Reden/Texten und finden signifikante Zusammenhänge zu „harten“ Variablen - z.B. zur Initiierung politischer Krisen/Konflikte sowie dem Ausbruch von Kriegen (u.a. Hogenraad, 2005; Winter, 2005). Auch wurden in diesem Zusammenhang für die Inhaltsanalyse politischer Kommunikation neue politikrelevante Persönlichkeits- und Führungsvariablen eingeführt und auf ihre Relevanz hin getestet (vgl. u.a.  Hermann, 2002 - Leadership Trait Analysis; Suedfeld, 2010 - conceptual and itegrative complexity). Eine Zusammenfassung wichtiger methodischer Ansätze und empirischer Ergebnisse ist u.a. bei Schachinger (2005) zu finden.

 

Die gesamte Thematik scheint aber nicht nur bei Wissenschaftlern Interesse zu finden, sondern auch in der Öffentlichkeit. So werden von Zeit zu Zeit politisch-psychologische Analysen und Psychogramme für einzelne Politiker/innen veröffentlicht, die zum Teil zu heftigen Kontroversen führen. Zu nennen ist hier beispielsweise in letzter Zeit die Veröffentlichung von Höhler (2012): „Die Patin. Wie Angela Merkel Deutschland umbaut“, die selbst in Fernsehsendungen Gegenstand von intensiven Diskussionen war.

 

Auch angesichts der derzeitigen Flüchtlingsbewegung wird gehäuft in den Medien nach Motiven und Persönlichkeitsfaktoren von Politiker/innen gefragt, die eine klare Pro- oder Kontrahaltung zur vermehrten Integration von Flüchtlingen einnehmen (vgl. z.B. Thomas Jäger bei Focus-Online, Die Motive der Kanzlerin. Warum Merkel die Flüchtlingskrise zum „deutschen Problem“ machte - vom 16.10.2015). Das Internet ist voll von solchen Analysen.

 

Wir stellen also zusammenfassend fest: Persönlichkeit und Politik scheint sowohl in den politisch-psychologischen Wissenschaften sowie in der Öffentlichkeit ein wichtiges und auch vielbeachtetes Thema zu sein.

 

In diesem Artikel geht es uns um die wissenschaftliche Seite, d.h. vor allem um die psychologisch-theoretischen Grundlagen und anschließend um die inhaltsanalytische Messung von Persönlichkeitsfaktoren bei Politikern (anhand ihrer Reden). Wir beschreiben hier die Ausgangsüberlegungen und den Stand unserer Entwicklungs- und Forschungsbemühungen.

 

 

Psychologische Grundlagen

 

Persönlichkeit ist selbst für Psychologen ein relativ vager Begriff, der je nach theoretisch-psychologischer Orientierung etwas anders definiert wird. Gemeinsam scheint allen theoretischen Konzepten zu sein, das es sich dabei um relativ stabile (Denk-, Gefühls-, Verhaltens-) Merkmale/Eigenschaften eines Menschen handelt, die sich über verschiedene Situationen hinweg immer wieder relativ konstant zeigen. Die Anzahl von bislang definierten Persönlichkeitseigenschaften ist dabei kaum mehr zu überblicken und schließt letztendlich alles ein, worin sich Menschen in ihrem Denken, Fühlen und Verhalten signifikant unterscheiden können.

 

Angesichts dessen stellt sich mit Blick auf Politiker/innen die Frage, welche Persönlichkeitsmerkmale hinsichtlich politischer Entscheidungen und Handlungen überhaupt relevant sein könnten. Die Antworten darauf sind in den verschiedenen empirischen Forschungstraditionen vielgestaltig, wie schon weiter oben kurz angedeutet wurde: Zum Beispiel ...

 

 

Schon die kurze Zusammenstellung lässt gewisse Ähnlichkeiten und Überschneidungen zwischen den untersuchten Persönlichkeitskonzepten bei politischen Leadern vermuten, wobei die einzelnen Konstrukte sicherlich alle ihre Berechtigung haben (wie nicht zuletzt die empirischen Ergebnisse zeigen), allerdings nur vage theoretisch miteinander verbunden zu sein scheinen. Was unserer Einschätzung nach hier fehlt, sind psychologische Bezugsrahmen (Paradigmen), mit deren Hilfe die einzelnen Ergebnisse aufeinander bezogen werden können.

 

Aus unserer Sicht bieten sich zumindest zwei psychologische Bezugsrahmen an, aus denen heraus die Persönlichkeit von Politikern betrachtet und analysiert werden kann: a) das Big-Five-Persönlichkeitsmodell und b) das Motiv-Modell. Im Folgenden werden diese zwei psychologischen Bezugsrahmen zunächst kurz skizziert.

 

 

Das Big-Five-Persönlichkeitsmodell

 

Wie schon angedeutet, gibt es recht viele Persönlichkeitstheorien (u.a. Fisseni, 2003; Pervin, 1987). Allerdings scheint sich in den letzten Jahren einer dieser Ansätze mehr und mehr durchzusetzen: Das sogenannte Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit - auch als „Big-Five-Model“ bezeichnet.

 

Dabei handelt es sich weniger um eine geschlossene psychologische Theorie mit erklärendem Charakter, sondern vielmehr um ein Dimensionsmodell zur Beschreibung dominanter Verhaltenstendenzen bzw. persönlicher Dispositionen, die in unterschiedlichsten Situationen zum Tragen kommen.

 

Wie Amelang & Bartussek (1997, 360) hervorheben, ist das Modell aus einer gewissen Unzufriedenheit vieler Psychologen heraus entwickelt worden: Die Vielzahl der in mindestens 50 Jahren untersuchten psychologischen Konstrukte hatte bis in die 80er Jahre hinein zu keinem konsistenten Bild menschlicher Persönlichkeit geführt, sondern mehr zur Verwirrung beigetragen. Es stellten sich vor allem die Fragen, a) wieviele Basisdimensionen der Persönlichkeit gibt es und b) wie können diese ermittelt werden.

 

Für die zweite Frage ging man dabei von der Annahme aus, dass es in jeder Kultur bzw. Sprache eine Vielzahl von Begriffen gibt (zumeist handelt es sich hierbei um Adjektive), mit denen im Alltag die Verhaltensmerkmale von Menschen beschrieben werden (z.B. fröhlich, beharrlich, feindselig, sprunghaft, wehleidig, etc.), weswegen dieser Forschungsansatz auch als „lexikalisch“ bezeichnet wird. Dementsprechend wurden zunächst mehrere tausend solcher „Marker“ zusammengestellt (vgl. Hager & Hasselhorn, 1994) und sukzessive für Selbst- und Fremdeinschätzungen eingesetzt. Im Laufe langjähriger Forschungsarbeit (u.a. Borkenau & Ostendorf, 1991; Goldberg, 1992; McCrae & John, 1992) kristallisierten sich dabei fünf Faktoren heraus, die sich auch kulturübergreifend als sehr stabil erwiesen:

 

 

Borkenau & Ostendorf charakterisieren die Dimensionen folgendermaßen: „Probanden mit hohen Werten in Neurotizismus neigen dazu, sich häufiger zu ärgern, sich zu entrüsten, traurig zu sein, verlegen zu sein, und unrealistische Ideen zu haben. Sie sind weniger in der Lage, ihre Bedürfnisse zu kontrollieren und auf Stresssituationen angemessen zu reagieren. Probanden mit hohen Werten in Extraversion sind aktiv, durchsetzungsfähig, gesprächig, tatkräftig und optimistisch. Sie lieben Anregungen und Aufregungen. Probanden mit hohen Werten bezüglich Offenheit für Erfahrungen zeichnen sich durch eine hohe Wertschätzung für neue Erfahrungen aus, bevorzugen Abwechslung, sind wißbegierig, sind unabhängig in ihrem Urteil, und interessieren sich für persönliche und öffentliche Ereignisse. Probanden mit hohen Werten in der Skala Verträglichkeit, sind altruistisch, mitfühlend, verständnisvoll und wohlwollend. Sie neigen zur Nachgiebigkeit und haben ein starkes Harmoniebedürfnis. Die Skala Gewissenhaftigkeit schließlich unterscheidet zuverlässige und anspruchvolle von gleichgültigen und nachlässigen Personen. Probanden mit hohen Werten sind ausdauernd, genau, zuverlässig, zielstrebig und systematisch“ (1991, 31).

 

Es fehlt nicht an Kritik zum Big-Five-Modell (zsfd. Amelang & Bartussek, 1997, 377-380). Sie bezieht sich vor allem auf die Anzahl der Dimensionen und auf die mangelnde theoretische Verankerung dieser Taxonomie - beide Aspekte sind dabei miteinander verbunden. Weiterführende Untersuchungen haben z.B. gezeigt, dass die Variable Extraversion offensichtlich zwei Binnenkomponenten enthält, die als „Activity“ und „Sociability“ bezeichnet werden.

 

Gewichtiger erscheint allerdings der Einwand, dass das Modell mehr oder weniger auf induktivem Wege entwickelt wurde, ohne dass im Lichte einer Theorie die Suche nach relevanten Basisdimensionen bewusst eingegrenzt bzw. gesteuert gewesen wäre. Ohne Bezug auf eine solche Theorie ist aber kaum entscheidbar, wieviele Faktoren tatsächlich angemessen sind, denn letztlich „liefert“ die Faktorenanalyse nur Dimensionen zurück, die auf dem beruhen, was man an Variablen in sie „reingesteckt“ hat. So gesehen hätten es auch nur 4, 7 oder auch 16 Dimensionen sein können, je nach dem, welche Variablen (in diesem Fall Marker) man mit in die Analyse einbezieht.

 

Die Befürworter des Fünf-Faktoren-Modells halten dem entgegen, dass von unterschiedlichen Forschern mit verschiedenen Itemsätzen, in diversen Kulturen sowie anhand verschiedener Probandengruppen immer wieder (in etwa) die gleiche Struktur ermittelt wurde. Sie scheint universell und stabil zu sein.

 

Inzwischen haben sich die Kontroversen gelegt. Wie Amelang & Bartussek (1997, 378) feststellen, wird die Taxonomie vor allem als Referenzmodell aufgefasst, mit dessen Hilfe sich Forschungsergebnisse aus unterschiedlichen Traditionen vergleichen und integrieren lassen.

 

Persönlichkeitstheoretiker neigen häufig dazu, die Ursachen für ein bestimmtes Verhalten in der handelnden Person selbst zu lokalisieren, d.h. genetisch bedingte und/oder gelernte Verhaltensdispositionen anzunehmen, die sich dann in bestimmten Situationen „durchsetzen“: Der Neurotiker neigt also aufgrund seiner „Anlage“ dazu, auf bestimmte Signale mit ärgerlichen, konfrontativen, beschimpfenden, … Reaktionen zu antworten. Neurotizismus ist also die „erklärende“ Variable für eine bestimmte Klasse von Verhaltensweisen.

 

Eine solche Betrachtungsweise wird aber nicht von allen psychologischen Richtungen geteilt. Aus einer (neueren) verhaltenswissenschaftlichen Sicht wird das (Kommunikations-) Verhalten letztlich auch als das Ergebnis der Wechselwirkung von gelernten Dispositionen (Lernerfahrungen) und Situation beschrieben, allerdings wird der Situationskomponente, dem Kontext deutlich mehr Gewicht zugestanden. Man ist also mehr darum bemüht, die inneren (Gedanken, Überzeugungssysteme, assoziativen Netzwerke, ‚relational frames’ etc.) und äußeren Kontextbedingungen für ein bestimmtes Verhalten zu identifizieren und verzichtet in diesem Zusammenhang auf eine Persönlichkeitstaxonomie (vgl. z.B. Hayes, Barres-Holmes & Roche, 2001).

 

Eine solche Taxonmie macht aber durchaus Sinn, wenn man sie nicht als eine Sammlung von Persönlichkeitsmerkmalen begreift, sondern als eine Beschreibung von (hoch generalisierten) Verhaltenstendenzen, die offensichtlich kulturübergreifend auftreten und für das Zusammenleben vom Menschen von hoher Bedeutung sind - zumindest von Menschen so (eben als wichtige und zentrale Merkmale eigenen oder fremden Verhaltens) wahrgenommen werden.

 

Damit wird die Persönlichkeitstaxonmie des Big-Five-Modells zu einer „Big-Five-Verhaltenstaxonomie“, bei der die einzelnen Dimensionen nicht mehr als „erklärende“, sondern als „zu erklärende“ (also als abhängige Variablen) fungieren. Aus motivationspsychologisher Sicht argumentiert Scheffer (2005, 69-84) in ähnlicher Form: Er versteht die Big-Five-Komponenten als hoch generalisierte „emotionale Umsetzungsstile“, die beschreiben, wie Menschen typischerweise auf Situationen emotional reagieren und dementsprechend mit ihr umgehen.

 

 

Das Motiv-Modell

 

Im Gegensatz zu Persönlichkeitstheoretikern in der Tradition des Big-Five-Modells fragen Motivationspsychologen nach dem Beweggründen eines bestimmten Verhaltens. Sie gehen davon aus, dass Handlungen durch bestimmte - latent vorhandene - Motive gesteuert werden, die ihrerseits durch situative Anreizbedingungen angeregt werden und zu einer zielgerichteten Aktivierung führen - was dann als Motivation bezeichnet wird (Salewski & Renner, 2009, 152-153).

 

Mit Motiven sind demgemäß genetisch bedingte oder gelernte Dispositionen gemeint, während der Begriff Motivation den Prozesscharakter hervorhebt (z.B. sich oder andere motivieren, etc.). Solche Motive gelten als relativ stabil, da sie offensichtlich schon in jungen Jahren geprägt werden. Insofern werden sie eben auch als Persönlichkeitsmerkmale betrachtet.

 

Wieviele und welche Motive zu unterscheiden sind, ist bis heute (immer) noch umstritten. Ein Blick in die einschlägige Literatur - insbesondere der sogenannten „Heckhausen-Schule“ (vgl. u.a. Heckhausen, 1980; Heckhausen & Heckhausen, 2010; Kuhl, 2001; Scheffer 2005; Schmalt & Langens, 2009) - zeigt allerdings , dass sich die Forschung der letzten Jahrzehnte vor allem auf fünf Motivbereiche fokussiert hat:

 

 

Insbesondere die ersten drei gelten als recht gut erforscht, wobei einige Fachvertreter dazu tendieren, sie als psychologische Kernmotive zu betrachten und in diesem Zusammenhang auch von den „Big-Three“ sprechen.

 

Wesentlich für das Verständnis des Motiv-Ansatzes ist die Unterscheidung von expliziten und impliziten Motiven.

 

Man kann Personen einfach nach ihren Motiven fragen, z.B. was ihnen besonders wichtig ist oder was für sie im Leben weniger bedeutsam erscheint, etc. Hierzu werden in aller Regel standardisierte Fragebögen, Interviews, etc. verwendet. Allerdings stellte sich hierbei schnell heraus, dass mit dieser Praxis offensichtlich nur explizite Motive erfasst werden, also mehr die rationalen Annahmen, die Ideen, das Selbstbild, etc. darüber, was für das eigene Handeln an Motiven maßgebend ist. Die Annahme war, dass die „tieferliegenden“ und „wirklichen“ Motive für das Bewusstsein nur schwer bis gar nicht zugänglich - also weitgehend unbewusst - sind.

 

Solche weitgehend unbewussten Motive werden nach heutigem motivationspsychologischen Sprachgebrauch als implizit bezeichnet. Wie Salewski & Renner betonen, sind vor allem sie es, die das Verhalten beeinflussen, „indem sie immer wieder zu einer Hinwendung zu ähnlichen Themen und dem Aufsuchen ähnlicher Situationen führen“ (2009, 154).

 

Allerdings können solche impliziten Motive nicht auf herkömmliche Weise, d.h. allein mit Hilfe standardierter Fragebögen, gemessen werden.

 

Schon in den 40er Jahren entwickelte Murray ein Testverfahren, mit dem es offensichtlich besser möglich ist, tiefere Motivstrukturen zu erfassen - den Thematischen Apperzeptionstest (TAT). Das Verfahren wird den sogenannten projektiven bzw. operanten Tests zugerechnet, deren Idee darin besteht, dem Probanden bestimmte Stimuli zu präsentieren (z.B. Tintenkleckse, Wortlisten, Satzfragmente, etc.) auf die dann vom Probanden reagiert werden soll. Beim TAT sind es Bilder, mit denen zumeist soziale Situationen dargestellt sind. Die Bilder sind bewusst unscharf, verschwommen und vor allem mehrdeutig interpretierbar. Die Probanden werden aufgefordert, zu diesen Bildern eine Geschichte zu erzählen - wenn man so will, die Situation zu deuten.

 

Anschließend werden die Geschichten nach einem Auswertungsschlüssel einer Inhaltsanalyse unterzogen, mit der nach (z.B. macht-, leistungs- oder anschluss-) thematischen Bezügen gesucht wird. Die Häufigkeit solcher Inhalte und sprachlichen Ausdrücke in den Geschichten gibt dann Aufschluss darüber, aus welcher thematischen (Denk-) Perspektive die Situation gedeutet wurde. Hierbei wird davon ausgegangen, das die Probanden ihre eigenen Bedürfnisse, Gedanken, Gefühle, etc. - und somit letztlich ihre dominanten Motive - in das Bild unbewusst hineinprojiziert haben.

 

Da das Ganze in der Auswertung recht aufwendig ist, ist das Testverfahren in den letzten Jahren gerade mit Blick auf die Antworten stärker standardisiert worden (vgl. Scheffer, 2005; Schmalt, 1976). Die grundsätzliche Idee, mit den Bildern zunächst eine „Projektionsfläche“ anzubieten und die Antworten auf diese als Reflexion der impliziten Motivwelt der getesteten Personen zu betrachten, ist allerdings gleich geblieben.

 

Aber was sind nun letztendlich Motive? Wie Scheffer es fomuliert, sind implizite Motive „Torwächter der Wahrnehmung“ (2005, 127). Menschen mit unterschiedlichen Motivausprägungen nehmen, so die Annahme, sich und ihre (soziale) Umwelt mit anderen thematischen Kategorien wahr. Scheffer konkretisiert dies am Beispiel von hoch bindungs-, leistungs- und machtmotivierten Personen:

 

Eine Person mit hohem Bindungsmotiv „nimmt Situationen … vorrangig vor dem Hintergrund von Bindung bzw. Beziehung, Nähe, Distanz oder Anschluss wahr. Sie bewertet andere Menschen stark durch die Kategorien Sympathie und Antipathie“ (2005, 99). Während das Denken von hoch leistungsmotivierten Personen „stark auf Professionalität, Sachthemen und Problemlösungen ausgerichtet ist. … Entscheidungen werden nicht nach Gefühlen der Sympathie oder Antipathie anderen gegenüber, sondern nach Rationalität und Effizienz ausgerichtet“ (100). Und schließlich bei hoch machtorientierten Personen: „Einfluss und Durchsetzung eigener Ideen und Werte sind für sie wichtig“ (101).

 

Mit anderen Worten (und nun wieder bezogen auf Politker und ihre politischen Reden): Bei impliziten Motiven handelt es sich um dominante, thematische Denkorientierungen. Beispiel:

 

Die häufige Bezugnahme auf Ausdrücke wie z.B. Beziehungspflege, Brüderlichkeit, Freundschaft, Gemeinschaft, Integration, Kameradschaft, Kollegialität, Miteinander, Solidaritätsgefühl, Teamgeist, (Un-) Treue, Wirgefühl, etc. wird also motivationspsychologisch als Hinweis (Indikator) gewertet, dass beim Kommunikator ein starkes Bindungsmotiv vorliegt. Die Person scheint die „Welt“ vorrangig aus dieser Perspektive heraus zu betrachten und zu bewerten.

 

 

Inhaltsanalytische Messung von Persönlichkeitsmerkmalen

 

Die Erfassung von Persönlichkeitsmerkmalen mit Hilfe inhaltsanalytischer Verfahren stellt ein schwieriges Problem dar. Letzlich geht es dabei um die zentrale Frage, welche sprachlich-kommunikativen Indikatoren (Worte, Wortfelder, Phrasen, inhaltlich-thematische Textabschnitte, etc.) als geeignet angesehen werden können, um auf ein bestimmtes Persönlichkeitsmerkmal zuverlässig und gültig schließen zu können.

 

In aller Regel wird in diesem Zusammenhang „quantifiziert“ (text2data), sei es nun mit Hilfe geschulter Kodierer oder anhand inhaltsanalytischer Computerprogramme, die entsprechende Häufigkeitsauszählungen und Datenverdichtungen selbstständig vornehmen. Wir selbst bevorzugen - allein schon aus Kapazitätsgründen - die letzte Variante.

 

Ein Beispiel dazu: Wie misst man Selbstvertrauen (anhand politischer Reden)? Bei Hermann (2002, siehe oben), die ebenfalls mit einem quantitativ-wortgestützten Ansatz arbeitet, wird z.B. die relative Häufigkeit von Ich-Ausdrücken als Indikator für Selbstvertrauen herangezogen. Ist das valide?

 

Zumindest zeigen unsere eigenen Grundlagenuntersuchungen zu Ich-Ausdrücken bislang kaum nennenswerte Zusammenhänge zu irgendeiner anderen Gruppe von sprachlichen Ausdrücken - außer leichte Korrelationen zu positiven Emotionsausdrücken (z.B. „Ich freue mich, ...“, „Ich bin erfreut, ...“, „Ich fühle mich geehrt, ...“, etc.).

 

Mit anderen Worten: Im quantitativ-wortgestützten Ansatz reicht es nicht, einen Zusammenhang zwischen bestimmten sprachlichen Ausdrücken und Persönlichkeitsmerkmalen zu postulieren, sondern die Korrelation muss empirisch belegt werden. Dazu kommen zwei Möglichkeiten in Frage, ...

 

 

Im politischen Kontext aber ist die Absicherung mit Hilfe von psychologischen Testverfahren nur schwerlich möglich, da sich Politiker/innen kaum in größerer Menge testen lassen dürften. Was also bleibt, ist vor allem die Prüfung der Zusammenhänge zwischen ausschließlich textstatistischen Daten (möglichst aus verschiedenen, unabhängigen Diktionär-Systemen) - oder eben mit Hilfe „harter“ - zumindest „härterer“ - Außenkriterien (z.B. biografischer oder historischer Informationen/Daten). Derzeit konzentrieren wir uns (noch) auf den ersten Ansatz.

 

 

Stand der Entwicklung

 

Neben der Sammlung/Dokumentation politischer Reden von Spitzenpolitikern wurde parallel dazu die Auswahl/Entwicklung von inhaltsanalytischen Diktionär-Systemen vorgenommen, wobei entsprechend den obigen Ausführungen zunächst der Begriff der (psychologischen, politischen) Denkorientierung im Zentrum unserer Aufmerksamkeit stand.

 

Aus unserer Sicht kommt diesem Terminus eine hohe Integrationskraft zu und letztlich beschreibt er genau das, was mit Hilfe von Inhaltsanalysen überhaupt gemessen werden kann. Pointierter ausgedrückt: Die Inhaltsanalyse ist ein methodisches Verfahren mit denen Denkorientierungen (vor allem in Texten) erfasst werden - sei es ...

 

 

Während also mit thematischen Diktionären, die inhaltlich-thematische Ausrichtung des (kommunizierten) Denkens gemessen wird, wird mit stilistischen Diktionären das erfasst, was man als kognitiv-sprachliche Stilistik bezeichnen kann - wobei unsere bisherigen Analysen (wie auch von uns vermutet) zeigen, dass vielfältige signifikante Beziehungen zwischen den thematischen und stilistischen Textkennwerten bestehen.

 

Wir halten diese Differenzierung für wesentlich: Erstens, weil sie so in der bisherigen inhaltsanalytischen Forschung/Literatur nicht beschrieben wird und zweitens, weil sie mit Blick auf die Beschreibung von Persönlichkeitsmerkmalen bei Politikern (anhand politischer Reden) die notwendige Blickrichtung vorgibt und schärft: Weiter oben wurden z.B. implizite Motive als dominante, thematische Denkorientierungen beschrieben, während z.B. die Variable „Openess“ (Offenheit versus Geschlossenheit) im Big-Five-Persönlichkeitsmodell eher auf eine stilistische Komponente im (kommunizierten) Denken hinweist.

 

Kurzum: Was wir also suchten, waren Diktionär-Systeme mit denen thematische und stilistische Denkorientierungen - und damit politisch relevante Persönlichkeitsmerkmale - in valider Form gemessen werden können.

 

Was die Auswahl von Diktionären betrifft, haben wir uns für zwei entschieden, die gerade im politischen Kontext von hoher Bedeutung sind: Einerseits die Dogmatismus-Textanalyse (DOTA) von Ertl (1972) und anderseits der Regressive Imagery Dictionary (RID) von Martindale (1975) in deutscher Übersetzung.

 

Beide Verfahren sind schon älteren Datums und scheinen schon fast unter Inhaltsanalytikern in Vergessenheit geraten zu sein, was sich allerdings gerade wieder zu ändern scheint - gemessen an den Publikationen/Zitierungen. Sie beruhen beide auf klaren (kognitions-) psychologischen Hintergrundannahmen und gelten bis heute als valide Verfahren zur Messung von Persönlichkeitsmerkmalen anhand von (Rede-) Texten. Sie erfassen stilistische Merkmale des kommunizierten Denkens. Unter der Rubrik „Diktionare“ (auf dieser Website ) sind die Systeme ausführlicher beschrieben - einschließlich ihrer Relevanz für den politischen Bereich.

 

Exkurs: Für das Verständnis der nachfolgenden Ergebnisse ist vor allem die Dogmatismus-Textanalyse von Bedeutung - daher hier ein paar kurze Anmerkungen: Das DOTA-Verfahren misst sprachliche Prägnanztendenzen - also stilistische Kommunikationsmerkmale, die sich gerade für politische Texte als wesentlich herausgestellt haben. Vor allem zwei Indexwerte sind hier von Bedeutung:

 

 

Was thematische Diktionäre betrifft, war unsere Ausbeute für den deutschsprachigen Raum nicht ergiebig, so dass wir uns entschlossen, hier ein eigenes System aufzubauen - das System für die module Analyse von Texten (SymTex). Auch dieses Instrument ist unter der Rubrick „Diktionäre“ (auf dieser Website ) mit seinen psychologischen Hintergründen beschrieben, so dass es hier reicht, einige wichtige Grundzüge darzustellen.

 

Ausgangspunkt für die Entwicklung von SymTex waren vor allem die wertthematischen Untersuchungen von Schwartz (1994, 2004). Für Schwartz repräsentieren Werte thematisch voneinander abgrenzbare Ziele (conceptions of the desirable), die im Motivationsgeschehen maßgegeblich mitbestimmen, welche (sozialen) Handlungen gewählt, wie Menschen und Ereignisse bewertet, eigenes oder fremdes Verhalten erklärt werden, etc. Vor dieser Betrachtungsweise kann das Werte-Modell von Schwartz als eine empirische Klassifikation von individuellen oder gesellschaftlichen Motiven angesehen werden. Das Zircumplex-Modell unterscheidet zehn Basiswerte und vier übergeordnete Wertedimensionen.

 

Vor dem Hintergrund dieses Modells wurden vor allem die wertthematischen Diktionäre definiert und ausgearbeitet. Darüber hinaus enthält das System weitere, ergänzende Diktionäre: Bedrohungsthematische, stilprägend-thematische (vor allem zur Messung von sogenannten Sentiments) und auch rein stilistische Kategorien - letztere insbesondere zur Validierung von DOTA und RID. Die folgende Tabelle zeigt einen Ausschnitt - die (Wert-) Thematischen Kategorien in SymTex.

 

Tab. 1: (Wert-) Thematische Kategorien in SymTex - Legende: H = Hauptkategorie, U-Kat. = Unterkategorie, B-Kat. = Basiskategorien.

Stand der Forschung

 

Mit unseren (statistischen) Forschungsarbeiten konzentrieren wir zur Zeit auf Zusammenhangs- und Positionierungsanalysen. Wir wollen hier nicht auf die methodischen und statistischen Details eingehen, sondern vor allem einen Teil unserer persönlichkeitsrelevanten Ergebnisse in einigen Punkten zusammenfassen - für eine detaillierte Beschreibung (insbesondere der Positionierungsanalysen) verweisen wir auf die Arbeiten von Niebisch (2016a, 2016b und 2016c) - auf dieser Website .

 

Unsere Korrelationsanalysen (insbesondere Faktorenanalysen und multidimensionale Skalierungen) zeigen zunächst einmal eine stabile Fünf-Komponenten-Struktur politischer Kommunikation, die eben aus persönlichkeits- und motivationspsychologischer Sicht interessant ist. Wir haben die einzelnen Dimensionen - aus Abgrenzungsgründen mit lateinischen Begriffen - folgendermaßen „gelabelt“: Domination, Lektion, Kohäsion, Lokomotion und Regulation.

 

Untersucht man die inhaltliche Zusammensetzung der einzelnen Faktoren (vgl. Niebisch, 2016b ) näher, zeigen sich deutliche Parallelen zu den zentralen Persönlichkeitskonstrukten des Big-Five-Ansatzes und insbesondere des Motiv-Modells, wie die folgende Tabelle veranschaulicht.

 

Tab. 2: Gegenüberstellung zentraler Persönlichkeitskonstrukte aus Big-Five- und Motiv-Modell mit den WORTSTROM-Kommunikationskomponenten.

Die fünf politischen Kommunikationskomponenten setzen sich folgendermaßen zusammen:

 

 

Besonders interessant ist die Zuordnung bei beiden stilistischen Textkennwerte aus DOTA (siehe oben): Während die Referentielle Prägnanz (als Maß für die Geschlossenheit im Denken) eindeutig zum Faktor Domination gehört, ist die Operative Prägnanz (Ratio-Faktor) der Lokomotionsdimension zugeordnet - ein Ergebnis, das voll und ganz theoriekonform ist.

 

Aus unserer Sicht machen die gefundenen Komponenten vor allem aus einer motiv-psychologischen Perspektive deutlich, aus welcher Wahrnehmungs- und Denkorientierung heraus Politiker/innen die politische Welt, die Aufgaben in der Politik, Kontrahenten, politische Konflikte und nicht zuletzt ihre (persönlichen) politischen Herausforderungen sehen.

 

Mit anderen Worten: Was an Generalthemen „bewegt“ den Politiker in seinem Denken, was sind die Prioriäten (dominant concerns) seines politischen Tuns (im Spiegel seiner Reden), wobei die einzelnen Komponenten die folgenden politischen Denkrichtungen (Motive) reflektieren:  

 

 

Bezieht man unsere korrelativen Untersuchungen mit Hilfe des RID-Verfahrens sowie unsere theoretischen Analysen unter einer sozialpsychologischen Perspektive (Impression Management, Selbstdarstellung, Rollenmodell, vgl. Niebisch, 2016c - auf dieser Website ) mit in die Betrachtung ein, ergibt sich das folgende Bild zu Persönlichkeitskomponenten von Politikern - in Tabelle 3.

 

Tab. 3: Zusammenfassende Gegenüberstellung der Kommunikationsdimensionen und der mit ihnen verbundenen Denkorientierungen/Denkmustern.

Die Tabelle 3 beschreibt die korrelativen Beziehungen, die wir im Zuge unserer Grundlagenuntersuchungen gefunden haben - hier nun getrennt nach thematisch-motivationalen, stilistischen (emotional-kognitiven) und sozial-selbstdarstellerischen Orientierungen.

 

Der Faktor Domination ist beispielsweise in thematisch-motivationaler Hinsicht stark verbunden mit den (wert-) thematischen Kategorien (aus SymTex) Ideologie, Konfrontation, Macht, (Wettbewerb, Konkurrenz) und auch Wohlfahrt in den politischen Reden. In stilistischer Hinsicht zeigt sich einerseits eine starke Korrelation zu einem geschlossen-dogmatischen Denkstil (gemessen an der DOTA -Variable Referentielle Prägnanz) und andererseits auch eine deutlicher Zusammenhang zur RID-Variable Regressives Denken - einer eher „romantisch-realitätsfernen“ Denkweise, die insgesamt als ganzheitlich, intuitiv und idealisierend beschrieben werden kann. Zudem sind bei diesem Faktor recht viele aggressive Bezüge in den politischen Reden zu finden (wiederum gemessen mit dem RID-Verfahren). Dementsprechend kennzeichnen wir diesen Faktor unter einer sozial-selbstdarstellerischen Perspektive mit den Rollen-Labels: (Macht-) Visionär, Utopist, Prophet.

 

Im Vergleich dazu die Komponente Lokomotion: In thematisch-motivationaler Hinsicht sind vor allem Bezüge zu sozialen Bewegungskräften zu finden - Konstruktion, Unterstützung, Leistung, Wandel. Selbstbestimmungsthematische Inhalte sind eher unterrepräsentiert. In stilistischer Hinsicht zeigt sich einerseits ein starker Bezug zur DOTA-Variable Operative Prägnanz - einer kognitiven Stilistik, die als rational-appellierend bezeichnet werden kann (siehe oben) - sowie ebenso deutliche Bezüge zur RID-Variable Konzeptionelles Denken - einer stilistischen (realitätsnahen) Denkorientierung, die als analytisch, rational und utilitaristisch beschrieben wird. Die Denkweise kann darüberhinaus als instrumentell-orientiert und eher abstrakt gekennzeichnet werden. In sozial-selbstdarstellerischer Perspektive erschienen uns die Rollen-Labels - Anreger, Gestalter, Treiber - passend.

 

Da die einzelnen fünf Kommunikationskomponenten statistisch unabhängig voneinander sind, können sie bei der Betrachtung einzelner Politiker/innen oder Politikergruppen sehr unterschiedlich ausgeprägt sein - d.h. es zeigen sich hier verschiedene (typische Denk-) Konstellationen, die wir als politisch-psychologische Denkmuster bezeichnnen. Vor allem diese Denkmuster beschreiben aus unserer Sicht die (politische) Persönlichkeit und die mit ihr verbundenen impliziten, politischen Motive in ihren wesentlichen Grundzügen - eben anhand der kommunizierten Denkorientierungen in thematischer und stilistischer Hinsicht.

 

Unter der Rubrik „Kommunikationsprofile für ausgewählte Politiker“ (auf dieser Website ) können anhand verschiedener Regierungschefs und anderer bekannter Politiker/innen solche Denkorientierungen und Denkmuster näher studiert werden - wie sie sich auf der Grundlage jeweils einer Analyse einer Vielzahl von politischen Reden des betreffenden Politikers zeigen.

 

 

Schlussbemerkungen

 

Die beiden Dimensionen Kohäsion und Lokomotion sind seit langem in der (politischen) Psychologie (Persönlichkeits-, Führungs- und Kommunikationsforschung) bekannt und werden bis heute zur Charakterisierung von Verhaltens-, Kommunikations-, Führungs- und Persönlichkeitsstilen herangezogen (vgl. u.a. Krug & Kuhl, 2006; Blake & Mouton, 1980). Insofern betrachten wir das hier gefundene Fünf-Faktoren-Modell als eine sinnvolle Erweiterung des klassischen Zwei-Faktoren-Modells - hier nur „übersetzt“ auf den politischen Bereich und bezogen auf die quantitative Inhaltsanalyse von politischen Reden.

 

Wir denken in diesem Zusammenhang auch, dass sich diese Taxonomie von Kommunikations- und Denkorientierungen (Motiven) in leicht veränderter Form auch auf andere Anwendungsbereiche übertragen lässt (obwohl wir das bislang noch nicht geprüft haben) - z.B. in Bezug auf Führungs- und Team-Analysen in Unternehmen und Organisationen.

 

Aus unserer Sicht erscheinen allein schon die hier thematisierten Ergebnisse sowohl in empirischer wie auch in theoretischer Hinsicht außerordentlich „stimmig“, was wir als Beleg dafür betrachten, dass hier ein sinnvolles und tragfähiges Modell für die Beschreibung der Persönlichkeit von Politikern mit ihren (impliziten) politischen Motiven gefunden wurde.