Psychologie politischer Reden und Kommunikation

Service       Kontakt       Impressum

Politische Psychologie: Denkorientierungen und Denkmuster von Führenden in der Politik

Start Einführung Diktionäre Ergebnisse Artikel Literatur Reden Annotation Link Online News RSS

CMC Forschungsprojekt WORTSTROM

Tabellen

Dimensionen politischer Kommunikation

 

Einführung

 

Im Rahmen der (politischen) Psychologie interessiert häufig die Dimensionalität eines Gegenstandsbereichs. In unserem Fall geht es dabei um die Frage, welche unterschiedlichen Komponenten (eben auch Dimensionen oder Faktoren) in politischen Reden unterschieden werden können. Gibt es da eine Systematik und wie sieht diese aus? Um diese Fragen zu beantworten, werden statistische Zusammenhangsanalysen berechnet. Sie sind ein zentraler Bestandteil der Gültigkeitsprüfung. Dementsprechend interessierten uns zunächst die Korrelationen zwischen den Kategorien- und Indexwerten von DOTA, RID und SymTex.

 

 

Methodische Aspekte

 

Für die Untersuchung der statistischen Zusammenhänge wurden folgende SymTex-Kennwerte einbezogen:

 

Zentrale (Wert-) Thematische Kenwerte

 

Wandel (H), Stabilität (H), Selbstbestimmung (H), Leistung (H), Macht (H), Wettbewerb (H), Sicherheit (H), Konformität (H), Norm/Ordnung (H),

Negative Sanktion (U), Positive Sanktion (U), Tradition (H), Religion (H), Gemeinschaft (H), Unterstützung (H), Wohlfahrt (H), Ökologie (H), Erkenntnis/Wissenschaft (H), Ideologie (H)

 

Stilprägende thematische und stilistische Kennwerte

 

Konfrontation (H), Konstruktion (H), Destruktion (H), Negative Evaluation (U), Positive Evaluation (U), Negative Emotion (U), Positive Emotion (U), Beschimpfung (H), Konkretion (H), Abstraktion (H)

 

Bezüglich des DOTA-Verfahrens wurden die Indexwerte Referentielle Prägnanz (I) und Operative Prägnanz (I) berücksichtigt. Aufgrund der möglichen Ausdrücksüberschneidungen zwischen RID und SymTex blieben die RID-Kennwerte zunächst außen vor, wurden aber später in einem gesonderten Schritt untersucht (vgl. Niebisch, 2015).

 

Gerechnet wurde bei diesen Analysen jeweils über 264 erfasste Politiker/innen auf der aggregierten Ebene. Weggelassen wurden die Reden von politischen Akteuren, die im engeren Sinne nicht als Politiker bezeichnet werden (also vor allem von Gewerkschaftsführern, Verbands- und Konzernchefs, politischen Philosophen, Literaten, etc.).

 

Mit der Aggregierung der Daten sollte vor allem vermieden werden, dass Politiker/innen, bei denen sehr viele Reden vorliegen, die Stichprobe verzerren. Zudem ist seit langem bekannt, dass durch die Aggregierung der Daten viel „weißes Rauschen“ (zufällige Variabilität) aus den Daten herausgefiltert

wird - vorhandene statistische Effekte treten dadurch stärker hervor.

 

Berechnet wurden vor allem explorative Faktorenanalysen (Hauptkomponenten mit Varimax-Rotation) gerechnet. Ziel war es, eine Gesamtsicht auf die Zusammenhänge zu bekommen.

 

 

Ergebnisse

 

Es zeigt sich eine Fünf-Faktoren-Struktur, deren Stabilität anhand verschiedener zufallsgenerierter Teilstichproben geprüft wurde. Zudem konnte mit Hilfe hierachischer Clusteranalysen und Multidimensionalen Skalierungen (MDS), also alternativen clusterbildenden Verfahren (vgl. u.a. Bacher, 1994), die gefundene Variablenstruktur weitgehend bestätigt werden.

 

Die Ergebnisse der Faktoren- und Korrelationsanalysen sind bei Niebisch (2015) zu finden. Wir sparen uns hier weitere statistische Details und konzentrieren uns auf die substanziellen Ergebnisse und ihre Interpretation.

 

Die folgende Tabelle fasst zunächst die Ergebnisse unserer Analysen zusammen. In der Spalte „Kommunikationsdimensionen“ sind die von uns vergebenen Labels für die einzelnen Faktoren zu finden (Domination, Lektion, etc.), während in den Zeilen (unter „Orientierungen“) sich die Kategorien/Indexwerte aus SymTex, DOTA und RID wiederspiegeln - nach „thematisch-motivationalen“ und „emotional-kognitiven“ (Denk-) Orientierungen. Mit „sozial-selbstdarstellerische Orientierungen“ haben wir aus sozialpsychologischer (und politologischer) Perspektive die einzelnen Rollen benannt.

 

Die fünf Faktoren (Domination, Lektion, Kohäsion, Lokomotion, Regulation) können zunächst einmal als hoch generalisierte Komponenten bzw. Dimensionen politischer Kommunikation angesehen werden, die je nachdem, wie sie ausgeprägt sind, die vorherrschende/n Denkorientierung/en einer politischen Rede, eines Politikers oder einer Politikergruppe sichtbar machen. Die beiden folgenden Abbildungen verdeutlichen dies am Beispiel von Konrad Adenauer (97 Reden) und Walter Ulbricht (32 Reden):

Unsere theoretischen Analysen (vgl. Niebisch, 2015) zeigen in diesem Zusammenhang zweierlei:

 

Einerseits sind diese Komponeneten hinsichtlich zentraler Konstrukte offensichtlich kompatibel mit dem Big-Five-Persönlichkeitsmodell (vgl. u.a. Borkenau & Ostendorf, 1991) - mit den Dimensionen:

 

 

Andererseits zeigen sich auch deutliche Parallelen zu den zentralen Motivkonstrukten der Motivationsforschung (vgl. u.a. Heckhausen, 1980; Schmalt & Langens, 2009) - hier sind die Ähnlichkeiten noch deutlicher:

 

 

Mit Blick auf die motivationspsychologischen Bezüge stellt sich die Frage, inwieweit die Kommunikationsdimensionen als Motive interpretiert werden können. Versteht man Motive als eine mehr oder weniger stabile thematische/stilistische Perspektivierung im (kommunizierten) Denken, spricht aus unserer Sicht vieles dafür, sie in diesem Sinne zu interpretieren. Motive wären dementsprechend als (Wahrnehmungs-, Bewertungs-) Denkorientierungen zu verstehen, die vor dem Hintergrund bestimmter politischer Herausforderungen maßgeblich mitbestimmen, welche Intentionen Politiker/innen hegen und welche konkreten politischen Ziele sie für attraktiv erachten.

 

Abschließend: Die beiden Dimensionen Kohäsion (im weitesten Sinne: „Bindungsorientierung“) und Lokomotion (im weitesten Sinne: „Leistungs- oder Produktionsorientierung“) sind seit langem in der (politischen) Psychologie (Persönlichkeits-, Führungs- und Kommunikationsforschung) bekannt und werden bis heute zur Charakterisierung von Verhaltens-, Kommunikations- und Führungsstilen herangezogen (vgl. u.a. Krug & Kuhl, 2006; Blake & Mouton, 1980). Insofern betrachten wir das hier gefundene Fünf-Faktoren-Modell als eine sinnvolle Erweiterung des klassischen Zwei-Faktoren-Modells - nun bezogen auf die quantitative Inhaltsanalyse von politischen Reden.